Website-Icon † Deutschsprachige russisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Hamburg

Das erlösende Zeichen des Kreuzes

SegenDas erlösende Zeichen des Kreuzes, seine Kraft und Bedeutung sowie die mit ihm zusammenhängenden Wunder.

Vor neunzehn Jahrhunderten war  bei den Juden und den Heiden das Kreuz ein Werkzeug des Marterns, eine Quelle der Schande und des Entsetzens. Es gab keine Hinrichtung, die entsetzlicher und entehrender war als die Kreuzigung. Diese wurde den dreistesteten Verbrechern und den größten Unruhestiftern im Staat und in der Gesellschaft zuteil. Die Verurteilung des Verbrechers zur Kreuzigung kam einer Aberkennung der Bezeichnung als Mensch gleich, er wurde dem Spott der Allgemeinheit ausgeliefert. So war die Auffassung vom Kreuz in der antiken Welt.
Was aber bedeutet das Kreuz für den Christen heute? Es ist für alle das Werkzeug der Erlösung und Gegenstand vollständiger Verehrung und Anbetung. Deswegen hat jeder orthodoxe Christ den Mut, mit Apostel Paulus zu sagen: «Mir sei es ferne, bewahre Gott, mich in etwas anderem zu rühmen, als im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzt ist und ich der Welt.»
Das Tragen des Kreuzes ist nicht nur die Pflicht eines jeden Christen, sondern vor allem Ehrenbezeigung und Verdienst. Wohin wir auch immer schauen, überall sehen wir das Kreuz: es dominiert die Kuppeln unserer Kirchen, es liegt auf dem Altartisch im Gotteshause, es ziert die Kronen der irdischen Könige und befindet sich stets auf der Brust des Christen. Das Kreuz begrüßt uns bei der Taufe und segnet uns bei dem Übergang in das ewige Leben und am Ende steht es als Zeichen auf unseren Gräbern. So eine Bedeutung besitzt das Kreuz für die Orthodoxen, für die Christen.
Was ist passiert, daß eine so große Veränderung in dem Verständnis vom Kreuz vor sich ging? Warum begann man das Kreuz mit Ehrfurcht anzubeten, wo es doch am Anfang als Werkzeug des Spottes galt. Das ist deswegen geschehen, daß der Sohn Gottes eben gerade auf dem Kreuz für die Sünden der ganzen Welt sterben wollte. Das Kreuz Christi hat den Himmlischen Vater mit den Menschen, die Sünder sind, vereint und selbst mit solchen Sündern, für die es ohne das Kreuz nie eine Verzeihung oder Erbarmen geben würde. Das Kreuz hat uns das Himmelreich geöffnet: ohne es, ohne das Kreuz Jesu, wären sogar die frommen Gläubigen in die Hölle gekommen, für niemanden hätte es einen anderen Weg gegeben.
Seit der Zeit, da Christus auf dem Kreuze starb, wurde seine unüberwindliche, unbeschränkte göttliche Kraft dem Kreuz übergeben und wohnt in ihm für immer! Deswegen ist es so mächtig und stark, weil sich in ihm das Geheimnis befindet: die für uns unbegreifliche, unbeschreibliche Kraft Christi. Gesegnet sind unsere Lippen, die das kostbare Holz des Kreuzes küssen, gesegnet ist unsere Stirn, unsere Brust und Schultern, die durch das siegreiche Zeichen geschützt werden.
Der Hl. Apostel Andreas der Erstberufene, als der Henker ihn zum Tod durch Kreuzigung geführt und er von weitem das Zeichen des Kreuzes gesehen hat, rief vor Freude: « Freue Dich, Du Kreuz: geheiligt bist Du durch den Körper Christi und geschmückt wie mit Blumen von seinen Gliedern! Bevor auf Dir mein Gebieter gekreuzigt wurde, warst Du für andere ein Schrecken. Nun aber wissen die Gläubigen, wieviel Gnade in Dir steckt, wieviel Belohnung vorbereitet ist. Ohne Angst und freudig gehe ich zu Dir, aber nimm auch Du mich mit Freude an als Deinen Schüler des auf Dir Gekreuzigten Christus. Immer habe ich Dich geliebt und wollte Dich immer umarmen. Oh, gepriesenes Kreuz, das Du die Herrlichkeit und Schönheit der Glieder des Herrn Christus auf dich nahmst, stets harre ich Deiner und suche nach Dir ! Nimm mich von dieser irdischen Welt und übergib mich meinem Lehrer, möge durch Dich der Herr mich annehmen, dank dem ich durch dich vor dem Verderben entronnen bin!»
Auch bat danach der Hl. Petrus seine Henker nur darum, daß sie ihn mit dem Kopf nach unten kreuzigen mögen, da er sich unwürdig fühlte, dieselbe Art der Kreuzigung wie Christus anzunehmen. Also seht ihr, Brüder, welch eine große Ehre die Heiligen  Apostel Christi dem  Kreuze Christi beigemessen haben. Wie sollten wir orthodoxen Christen es nicht verehren, wie sollten wir einen so großen, kostbaren Schatz, das Werkzeug unserer Errettung und der Erlösung von der Macht des Satans und der Hölle, das Zeichen des Bundes mit Gott und unserer Rechtfertigung nicht preisen. Seit der Zeit, da der Sohn Gottes durch sein Leiden und sein Martyrium das Kreuz erleuchtet hat, besingt dies die Heilige Kirche mit dem Worten: «Durch den Glanz Deines Kommens und durch Dein Kreuz hast Du, Christus, alle Enden der  Welt erleuchtet und sie  geheiligt, dadurch hat sich eine übernatürliche wundertätige Kraft gezeigt».
Nicht von ungefähr kann unsere Heilige Kirche in ihren Gesängen gar nicht genug der großartigen Worte zur Verherrlichung des Kreuzes Christi finden: Oh, Kreuz! Lob der Apostel, Stärkung der  sanften  Gläubigen, Lob der Hierarchen  und Märtyrer, welches Du den Sieg und die Hilfe allen an Dich Glaubenden gibst. Das Kreuz ist Lobpreis und ewiges Licht für unsere Seelen und ist das Fundament des Glaubens, Vernichtung des Satans, ist die Herrlichkeit der Kirche, aber auch Verderben der Frevler und Schande für die Feinde am Tag des Gerichts. Wenn wir daran denken wollen, was der Erlöser für uns getan hat, dann gebietet uns die Kirche, dass wir uns mit dem Kreuz bezeichnen.
Der Brauch, daß es in der Orthodoxen Kirche üblich ist, sich während des Gebetes mit dem Kreuzzeichen zu übersegnen, stammt aus uralter Zeit. Er wurde von den Heiligen Aposteln begründet, an alle Gläubigen weitergegeben und wird seit der Zeit strengstens befolgt, so daß ohne das Zeichen des Kreuzes kein Gebet, weder in der Kirche, noch zu Hause beginnt. Der Beginn eines jeden Gebetes wird begleitet von dem Kreuzzeichen und einer frommen Verbeugung. Das Kreuz Christi verleiht nicht nur unserem Gebet große Kraft, sondern dank ihm gehen auch viele unserer Vorhaben und Taten in Erfüllung. Durch das Kreuz vertreiben wir sowohl sündhafte Versuchungen wie auch Leidenschaften, die direkt von dem Satan oder von der sündigen Welt oder von uns selbst kommen.
In dem Zeichen des Kreuzes ist jedem von uns eine große Kraft gegeben und zur Bestätigung der Worte genügt es, in die Schriften der Heiligen Väter hineinzuschauen, wo jeder sich von der großen Kraft des Kreuzes Christi überzeugen kann. Wir werden hier nur ein paar aus der unendlichen Anzahl der Beispiele aufführen. So hat der Apostel Johannes der Theologe, wie sein Schüler Prochoros uns berichtet, seinerzeit durch das Zeichen des Kreuzes eine auf der Straße liegende Kranke geheilt. Ein ähnlicher Fall geschah bei dem gläubigen Irus, nach der Lehre des Hl. Apostels Philippus, als er mit seiner Hand das Zeichen des Kreuzes Christi einem leidenden Aristarchen spendete und sofort seine verletzten Glieder und die vertrocknete Hand geheilt wurden; er bekam das Augenlicht zurück und konnte wieder hören, mit einem Wort –  er erhielt Heilung.
So geschah es auch bei dem Epiphanius, als er ein Kind und noch nicht getauft war, wurde er von einem störrischen Esel heruntergeworfen und hatte seine Hüfte stark beschädigt, ein Christ aber, der zufällig an dem Ort vorbeikam, hat den Jungen durch ein dreimaliges Segnen mit dem Kreuzzeichen geheilt. So ähnlich bat ebenfalls die selige Makrina, die Schwester des Hl. Basilius des Großen, welche schrecklich an einem Brustgeschwür litt, ihre Mutter, über der kranken Stelle ein Kreuzzeichen zu machen. Als sie das getan hatte, wurde die Kranke sofort gesund.
Das wundertätige Kreuz Christi hat nicht nur Leiden geheilt, sondern auch Tote zum Leben erweckt und hat dem Körper Unversehrtheit verliehen. Also hat die Hl. Märtyrerin Thekla dürre Äste und einen Stapel Holz übersegnet, der für ihre Verbrennung vorbereitet war, aber das Feuer traute sich nicht, ihren Körper zu berühren. Ähnlich hat sich die Hl. Märtyrerin Wassilisa von Nikodemia mit dem Kreuz bezeichnet, obwohl sie in dem glühenden Ofen inmitten der Flammen viele Stunden lang stand, doch die verzehrende Glut konnte ihr keinen Schaden zufügen.
Auch waren die Heiligen Märtyrer Abdon, Synis und Panteleon und ihre Freunde den Tieren zum Fraß ausgeliefert und haben auf sich das Heilige Kreuzzeichen gemacht, wonach die wilden Bestien Lämmern ähnlich ruhig wurden und begannen, den Auserwählten Gottes die Füße zu lecken. Die allmächtige Kraft des Kreuzes Christi hat selbst todbringendes Gift unschädlich gemacht, wie wir in den Heiligenviten des Juvenalij und des Seligen Benedikts sehen (Fest am 12. März).
In solchen Fällen hingegen, wenn es uns nicht gelingt, durch das Kreuz Christi weder große noch kleine Taten zu vollbringen, um ein Ziel zu erreichen, z.B. ein Vorhaben zum guten Gelingen zu bringen oder aber etwas Böses zu vermeiden, dann geschieht dies deswegen, weil unser Herr Jesus Christus es für uns nicht für richtig hält, leichte Siege und Erfolge zu erringen. Dies geschieht, damit wir nicht überheblich werden und wir es uns nicht als Selbstverständlichkeit angewöhnen, nur auf Gott zu zählen, oder deshalb, weil wir das Zeichen des Kreuzes auf eine unangebrachte Weise ausführen und damit Seine Hoheit beleidigen.
Das Zeichen des Kreuzes sollte man auf sich mit lebendigem Glauben an den Gekreuzigten ausführen, mit Frömmigkeit und dem demütigen Bewußtsein, daß wir den Herrn nicht durch unsere Verdienste für uns gewinnen können, sondern nur durch die Hoffnung auf sein Erbarmen und in Hinsicht auf das von Ihm als Gott und Mensch in seinen Qualen der Kreuzigung und in Seinem Tod für uns Durchlittene. Nur unter der Bedingung (solcher unserer Demut- d.Übers.) kann von Gott erwartet werden, unseren Eifer für die Erfüllung Seiner Gebote und unser Gebet mit dem Zeichen des Kreuzes zu vereinen. Wir müssen daran denken, daß unsere Schuld vor Gott und die stete Beleidigung Seiner Größe alle Schulden im Vergleich zu menschlichem Recht übersteigt.
Gott ist das verzehrende Feuer. Ist also unsere sterbliche und demoralisierte Natur imstande, den unmittelbaren Kontakt mit Seiner Heiligkeit direkt auszuhalten? Das ist möglich, wenn wir uns mit dem Kreuzzeichen versichern! Dann wird zwischen uns und Gott als Vermittler Christus stehen, dann wird der Glaube an den Gekreuzigten uns die erlösende Kraft geben, die durch Ihn für uns auf Golgatha errungen wurde. Mit dem Opfer, das er auf dem Kreuz gebracht hat, können wir unsere Unwürdigkeit bedecken vor Gott. Dann nämlich legen wir wirklich mit unseren äußeren Tätigkeiten Zeugnis davon ab, daß wir mit dem Gebet zu Gott nicht etwa in uns selbst die Hoffnung suchen, sondern wir bitten Gott im Namen Christi und aufgrund der Kraft Seiner Verdienste. Auf diese  Weise wird das Kreuzzeichen zur Bestätigung unseres Eifers, mit welchem wir uns an Gott in unseren Gebeten wenden und mit welchem wir unsere innere Einstellung zum Gebet ausdrücken.
Die Heilige Kirche hat richtig gehandelt und sie gibt uns ein hohes Maß der Erlösung, indem sie uns geboten hat, daß wir uns während des Gebetes mit dem Kreuzzeichen beschützen sollen. Deswegen ist es sinnlos und eine schlimme Undankbarkeit vor dem Angesicht des Faktes, daß man keinen Gebrauch von den guten und sicheren Mitteln haben will, um sein Gebet fruchtbar zu machen, so, wie es von Gott erwünscht und gewollt ist. Doch erweisen sich die Kinder der Kirche leider oft als gedankenlos undankbar, welche, anstatt sich mit dem Kreuz zu bezeichnen, mit den Händen fuchteln, wie es einem jedem gerade so einfällt. Es ist eine Frechheit, wenn man sich im Gotteshaus befindet und ohne Gedanken, ohne Gefühle und ohne  jegliches Bewusstsein für sein Tun die Hand über der Brust entlangführt und sie nicht so hoch erhebt, um ein richtiges Kreuz zu vollbringen. Es ist sehr schwer, eine Bezeichnung oder einen  Namen für eine derartige Handbewegung zu finden. Über solches Herumfuchteln freuen sich die Teufel, sagt der Hl. Johannes Chrysostomos. Besser ist es dann, sich überhaupt nicht zu bekreuzigen, als das Zeichen des Kreuzes zu deformieren. Können wir das, was wir auf uns machen, ein Zeichen des Kreuzes nennen, wenn wir uns übersegnen und uns nicht die Mühe geben, die Finger unserer Hand so zusammenzufalten, wie es sich gehört und wir kein vollständiges Kreuz Christi bezeichnen? Es kommt auch vor, daß wir das Kreuz zwar richtig ausführen, aber es dennoch mit Hochmut und Dünkel tun. Vielleicht kommt es  dann vor, daß  wir  schwungvoll unsere Hände und Kopf erheben, mit Schamgefühl, einen Teil der Brust verdecken, und zwar so, daß man es kaum sehen kann. Das alles entstammt unseren bösen Gewohnheiten, die uns nichts anderes zeigen, als unsere extreme Ungenauigkeit und Unachtsamkeit gegenüber einer so großen heiligen Sache – des Gebetes vor Gott.
Über diejenigen, die mit Gleichgültigkeit Gott dienen und nachlässig beten, sagt die Heilige Schrift: « Verflucht ist der, der das Werk Gottes auf verräterische Weise ausführt…(Jer. 48,10)» Wenn die Heilige Kirche beschlossen hat, daß man sich mit der Methode übersegnet, indem man zuerst die Stirn berührt, danach die Brust und zum Schluß die Schultern , dann darf man nicht mit einer solchen Vermessenheit diese Regeln verletzten. Es geht hier nicht um Haarspaltereien, sondern einfach nur um ein extremes Maß an Leichtfertigkeit in den Bemühungen um seine eigene Errettung. In diesem Fall haben wir es zu tun mit einer Verfehlung und zerstörerischer Gleichgültigkeit, die gegen das Kreuz Christi gerichtet sind. Die Heilige Kirche hat solche und nicht andere Regeln des Bezeichnens mit dem Kreuz nicht ohne Grund beschlossen. Für alles gibt es vernünftige Gründe.
Also legen wir, so, wie die Kirche das beschlossen hat, den Anfang des Kreuzzeichens auf die Stirn – dem Gefäß des Verstandes, als Zeichen dafür, daß wir Gott mit unserem ganzen Verstand loben, oder Ihm mit Liebe alle unsere Gedanken widmen. Als nächstes legen wir, während wir uns überkreuzigen, das  Kreuzzeichen auf den Bauch, den Teil bezeichnend, wo die Brust endet, als Zeichen, daß wir Gott aus ganzem Herzen und der Seele lieben, oder daß wir Ihn mit ganzer Offenheit, Ehrlichkeit und frommem Eifer alle unsere Gefühle und Wünsche widmen. Auch legen wir das Kreuz auf die Schultern (zunächst die rechte, dann die linke – Anmerkg. d. Übers.) als Zeichen dafür, daß wir Gott aus ganzer Kraft und Stärke der Seele und des Geistes lieben und daß wir Ihm nicht nur unser ganzes geistiges Leben opfern, sondern unsere körperlichen Tätigkeiten, die wir zu seinem Lob ausrichten. Alle Bestimmungen der Kirche besitzen einen tiefen Sinn. Sogar die Art und Weise, wie man die Finger während der Bekreuzigung faltet, hat große Bedeutung. Man legt sie nicht so zusammen, wie man möchte, sondern folgendermaßen: Die Enden von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger schließt man zusammen, denn sie bedeuten die Heilige im Anfang (im Ursprung) das Leben spendende Dreieinigkeit: den Vater, Sohn und Heiligen Geist; die zwei weiteren Finger beugt man zur Handfläche hin, was ein Zeichen dafür ist, daß der Sohn Gottes mit Rücksicht auf unsere Erlösung den Himmel geneigt hat, auf die Erde gekommen ist und die Natur des Menschen angenommen hat, wodurch in Ihm zwei Wesen zusammengeführt wurden – das Göttliche und das Menschliche, und – er wurde Gottmensch.
Die Heilige Orthodoxe Kirche lehrt nach der Tradition sowohl der Hl. Apostel wie auch der Hl. Väter, daß man, wenn man sich verabschiedet, die drei ersten Finger der rechten Hand benutzt, die in der Waagerechten zusammengeschlossen werden, die zwei letzteren Finger werden zur Handfläche gebeugt und so verabschiedet man sich, indem man den anderen mit dem Kreuzzeichen übersegnet. Dieser alte Brauch ist nicht nur in Russland, sondern auch in Jerusalem, Antiochia, Konstantinopel, in ganz Griechenland, bei den ägyptischen Kopten, auf dem Berg Athos und allen anderen orthodoxen Ländern beheimatet. Wer sich davon überzeugen möchte und mit den eigenen Augen den uralten Zeugen sehen möchte, der die drei Finger für das Kreuz zusammengefaltet hat und bis heute hält, der möge sich zur Hl. Kiewer Höhlen-Lawra begeben, zur Grotte, wo sich die Hl. Reliquien des Ehrwürdigen Spiridon befinden, der die Prosphoren buk (die Heiligen Brote, die in der Liturgie als Opfer und zur Wandlung in das Sakrament Christi verwandt werden – Anmerkg. d. Übers.) Vor seinem Tode hat er die 3 Finger der rechten Hand zusammengefügt, damit er das Zeichen des Kreuzes vollbringen konnte und so ruht er mit der Hand in dieser Haltung seit über 800 Jahren.
Auch wir mögen uns bemühen, mit Glauben und Gottesfurcht, auf richtige Weise das erlösende Zeichen des Kreuzes auszuführen. Man muß daran denken, daß man sich zuerst mit dem erlösenden Kreuz bezeichnet und danach, so wie sich das geziemt, Gott eine Verbeugung darbringt. Einige von uns verbeugen sich und bekreuzigen sich dabei gleichzeitig, dies tun sie aus Nachlässigkeit und entgegen der Lehre der Hl. Kirche. Dabei muß man ebenso darauf achten, daß unser Glaube an Christus sich nicht nur auf die äußere Form beschränkt, sondern es (das gläubige Handeln- d.Übers.) soll stets von guten Gefühlen begleitet werden, die aus der Tiefe des Herzens fließen, so daß den Christus nicht nur der Körper lobt – «…ihn habt ihr von Gott.» (1Kor.6,19), sondern auch unsere Seelen, die wir von Gott bekommen haben.
Somit kann das Kreuz Christi nur unter den erwähnten Bedingungen, das heißt bei richtigem Gebrauch und Verständnis seiner Bedeutung, zur allmächtigen und unbesiegbaren Waffe gegen unsere sichtbaren und unsichtbaren Feinde werden, denn es besitzt die Kraft nicht einfach durch sich selbst (d.b. nicht formal), sondern allein in Verbindung mit einem lebendigen Glauben und einer rechten und frommen Anwendung.
Der Heilige Johannes Chrysostomos sagt: «Wenn Du mit ganzem Glauben, aus ganzer Überzeugung des Herzens dich mit dem Kreuz bezeichnest, dann ist keiner von den unsauberen Geistern imstande, sich dir zu nähern, weil sie das Schwert sehen, welchem sich ihre Pfeile aussetzen, und sie sehen das Geschoss, daß ihnen tödliche Verletzungen zufügt. Schäme Dich nicht, Du Christ, so großer Gnadenerweisung, dann wird sich auch Christus Deiner nicht schämen, wenn Er in Seiner Herrlichkeit kommen wird und sich das Zeichen (des Kreuzes) vor Ihm heller als Sonnenstrahlen zeigen wird.»
« Denn wer sich Meiner und Meiner Worte schämt vor diesem ehebrecherischen und sündhaften Geschlecht, dessen wird auch der Menschensohn sich schämen, wenn Er kommt in der Herrlichkeit Seines Vaters, zusammen mit den Heiligen Engeln» , sagte der Herr Jesus Christus. (Mk. 8,38). Aber zum allgemeinen Ärgernis gibt es Leute, die den Reichen dieser Welt dienen, dem Profit und sich schämen, die Gebote des Evangeliums und die Prinzipien der Kirche zu erfüllen und damit dem orthodoxen Glauben entsagen. Vor solchen Leuten wird sich Jesus Christus schämen und sich auch schämen, sich zu ihnen beim Jüngsten Gericht zu bekennen, auch wenn sie dann sehr darum bitten würden, sie als Seine Jünger anzuerkennen…  «Ich kenne Euch nicht», sagt Er solchen, «weicht von Mir, die ihr die Werke des Bösen tut!» (Mt.25,12;7,23), denn ihr seid der Gunst und der Teilhabe an meinem Königreich nicht würdig.
Deswegen belehrt uns der Apostel Paulus, daß wir uns nicht an die jetzige Zeit anpassen sollen, sondern uns verklären, indem wir unseren Verstand abwenden, damit wir erkennen können, daß nur der Wille Gottes nützlich, wünschenswert und vollkommen ist. Auch sollen wir, während wir uns bekreuzigen, es unseren Vorfahren gleichtun, denn für sie war das Kreuz Alles für alle. Wenn sie irgendeine Arbeit angefangen haben, haben sie sich übersegnet, wenn sie eine Arbeit beendet haben, haben sie dasselbe getan. Das Kreuz diente ihnen als Schutz vor dem Schlafengehen, mit dem Kreuz haben sie sich beschützt, wenn sie vom Schlafe aufstanden. Mit dem Zeichen des Kreuzes haben sie sich an den Tisch gesetzt, bevor sie die Mahlzeit einnahmen und sie vollbrachten es auch, wenn sie nach Beendigung dieser aufstanden. Das Zeichen des Kreuzes war Ausdruck aufkommender Freude, hat aber auch plötzlich auftretende Traurigkeit oder Unglück bezeugt.
Oh, wenn die Worte tiefer und kräftiger in das Bewußtsein eines jeden einzelnen von uns eindringen würden, wenn wir das Kreuz nicht nur über unseren Köpfen haben und auf der Brust tragen, sondern es in unseren Herzen tragen würden! Wenn wir immer echte Träger des Kreuzes wären, dann wäre kein Feind furchtbar für uns, dann wären nicht nur die Erde, sondern auch die Himmel unser Erbe.

Über das Ertragen des Unrechts

Über das bereits gesagte hinausgehend erinnert uns orthodoxe Christen das Zeichen des Kreuzes auch noch daran, daß jeder, der an Christus glaubt und durch sein allerreinstes, auf dem Kreuz vergossenes Blut erkauft wurde, auch die Schuldigkeit hat, sein eigenes Kreuz zu tragen, das bedeutet sich zu bemühen, stets seinen Egoismus, bösen Willen, seine körperlichen Leidenschaften und gedankliche sündhafte Wünsche zu töten, sich völlig dem Willen Gottes zu überliefern und mit Demut jegliche Unzulänglichkeiten, Schwierigkeiten, Nachteile oder auch Unrecht zu ertragen, Mißgunst, Rachsucht, Feindschaft in sich zu bekämpfen – und ununterbrochen für das Königreich Gottes zu arbeiten.
Christus, der sich für uns als Opfer hingab, hat durch Sein Leiden auf dem Kreuz uns noch einmal die Möglichkeit geschenkt, in das Paradies hineinzukommen, hat uns befohlen, Ihm nachzufolgen; deswegen, wenn wir auf Ihn schauen und um Seine allmächtige Hilfe bitten, werden wir ununterbrochen in Seinen Fußstapfen gehen, auf dem Wege völliger Aufopferung und Liebe für den Nächsten, auf dem Wege der Güte, der Milde, der Demut, der Leiden, der Zurückhaltung und der Ergebenheit gegenüber dem Willen Gottes. Wahrhaftig sind die gesegnet, die sich der Lehre Gottes unterwerfen und den Weg des Martyriums gehen.
Solche freuen sich schon jetzt über Unzulänglichkeiten und Unrecht mit einer überirdischen Freude! «Mein Weg hat mich durch wunderschöne Stätten geführt, mein Los war mir immer gut», rief nämlich David; Apostel Paulus schrieb: « Darum habe ich Gefallen an Schwächen, an Schmähungen, an Nöten, an Verfolgungen, an Bedrängnissen um Christi willen…» (2 Kor.12,10) Auch andere Bekenner Christi, trotz vielen erfahrenen Unrechts, waren voller Freude. Zum Lob der ersten Christen sagte der Apostel Paulus: «… ertragt es, wenn einer euch knechtet, euch ausbeutet, euch etwas wegnimmt, euch angreift, sich überheblich benimmt, euch in das Angesicht schlägt.» 2 Kor.11,20) So ein mildes Ertragen der Ungerechtigkeit ist bei Ihnen der Hoffnung auf eine Belohnung von Christus entsprungen, weswegen ihnen der Apostel schrieb: « Werft also eure Zuversicht nicht fort, sie bringt einen reichen Lohn.» (Hebr. 10,35) Deswegen, wenn wir den Willen Gottes erfüllen möchten und wir das Versprechen erhalten, benötigen wir die Geduld im Ertragen der Ungerechtigkeit, aus Rücksicht auf den Herrn und das Evangelium.
Der um des Herrn willen mit der Hoffnung auf Sein Erbarmen Leidende wird den schmalen Weg mit Ruhe durchschreiten und es wird ihm keine Schwierigkeiten bereiten. « Seid daher nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist!» (Hebr. 5,17), sagt uns das Wort Gottes. Indem wir auf den Verkünder des Himmlischen Königreiches schauen, sollen auch wir «… nicht mehr den menschlichen Lüsten, sondern dem Willen Gottes die verbleibende Zeit unserer Erdentage leben.» (1Paul. 4,2) Auch sagte der Apostel: « Unterwerft euch  also Gott! Widersteht dem Teufel und er wird von euch fliehen! Naht euch Gott, und Er wird sich euch nahen! Reinigt die Hände, ihr Sünder, und heiligt die Herzen, ihr Wankelmütigen! Fühlt eure Not, klagt und weint! Euer Lachen verwandle sich in Klage und eure Freude in Betrübnis. » (Jak.4, 7-9)
Aber der Weg kommt uns für unsere sündigen Körper schwer vor, jedoch nur dieser Weg kann uns zur Ruhe und zur ewigen Freude hinführen. Diesen Weg ist unser himmlischer Lehrer und eine große Zahl von Heiligen gegangen, die das ersehnte Königreich Christi erreicht haben und mit großer Freude zu ihrem Herrn gelangt sind. Christus, der diesen Weg gegangen ist, hat uns das Beispiel gegeben, also sollen auch wir Ihm nachfolgen! « Wenn einer mir nachfolgen will» , sagte nämlich der Herr, «so verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.» (Mt.16.24)  Und wieder sagte Er: « Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.» (Lk.14,27)
Möge jeder, der sein Kreuz trägt, sein schweres Los mit Geduld und in Ruhe ertragen, indem er sich vollkommen Gott unterordnet. Dann wird er ohne Zweifel auf dem Pfade Christi, des Erlösers gehen, durch die Hilfe der Gnade Gottes, und wird würdig sein, sich im Kreise der Auserwählten wiederzufinden, über die Er selbst gesagt hat: « Wenn einer Mir dient, der folge Mir, und wo Ich bin, wird auch Mein Diener sein.» (Joh.12,26)
Lieber, sehr verehrter Leser: Wenn wir uns nach den hier besprochenen Prinzipien mit der Stärke des Kreuzes Christi bewaffnen, und uns mit der Hilfe Gottes in der Tat bemühen, alle Versuchungen, große wie kleine, alle Unannehmlichkeiten, Sorgen, die Unzufriedenheit des Lebens zu überwinden, dann werden wir nach kurzer Zeit der Entsagung und des Unrechts dort hineingehen, wo es weder Krankheiten, noch Schmerzen, noch Ärgernisse gibt, sondern die unendlich jubelnde Freude und die nie endende Stimme der Feiernden zu hören ist und wo auch die unendliche Süße derjenigen ist, die das Antlitz Gottes und Seine unaussprechliche Güte stets schauen.
Ende. Lob und Ehre sei Gott !
Hamburg, zu Christi Geburt 2012
Übersetzung: Matuschka Anisia Lindberg, Uwe Georg Zeh

 

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