† Deutschsprachige russisch-orthodoxe Kirchengemeinde in Hamburg

Drei Weihnachtspredigten

Die erste Predigt – ‚Erasmus Fehler’

Lesen wir einen Abschnitt aus dem Lukasevangelium, Kapitel 2, Verse 8-14: “Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und (unter) den Menschen ein Wohlgefallen.“

Die Worte von Vers vierzehn haben als Text für christliche Hymnen in der ganzen Welt gedient, und am Weihnachtstag gewinnen sie einen ganz besonderen Klang, wenn nicht sogar Charme. In der Tat, was für ein Friede und welche Güte atmen diese Sätze: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!“ Es klingt so gut, dass es wie ein Kindermärchen wirkt.

“Und Friede auf Erden.”

Doch wo und wann haben sich diese Worte, die die Geburt Christi markieren, erfüllt? Haben sich die vor Freude singenden Engel geirrt? Hat sich der Evangelist Lukas geirrt, als er ihren Gesang aufschrieb? Oder ist es möglich, dass alles, was poetisch ist, offensichtlich unwahr ist, unwirklich, nur schöne Träume, Worte für ein Lied und nichts weiter?

“Friede auf Erden unter den Menschen ein Wohlgefallen”.

Täglich erfahren wir aus der Weltpresse, was auf unserem Planeten geschieht. Hass und Gewalt, Feindseligkeit und Intoleranz, Terrorismus und Fanatismus herrschen vor. Als Folge davon wird überall Blut vergossen, und zwar unschuldiges menschliches Blut. November 1995: In einer großen Menschenmenge, nicht weit von dem Ort, an dem einst die Engel sangen, erschießt ein fundamentalistischer Jude aus nächster Nähe einen jüdischen Friedensstifter. (Es handelt sich um die Ermordung des politischen Führers Israels, Yitzhak Rabbin). Es scheint, als sei eine Grenze erreicht, die das lichte Ideal des alten Friedensliedes widerlegt.

Frieden auf Erden? unter den Menschen ein Wohlgefallen?

Nein, es war nicht der Nahe Osten, von dem die Engel sangen, und schon gar nicht Russland, Amerika oder Afrika. Leider sind wir nicht von Frieden und Gunst umgeben, sondern von Kampf und Widerstand. Darüber hinaus wird in der christlichen Welt eine tragische Tatsache über Weihnachten manchmal schamhaft ignoriert. Kurz nach dem Gesang der Engel, die Frieden und Wohlwollen auf Erden verkünden, verübt der von Verfolgung und Angst geplagte König Herodes ein furchtbares Massaker in Bethlehem. Die Geburt des Jesuskindes wird zunächst durch den Massenmord an vielen anderen Babys markiert, deren Namen heute nur noch Gott kennt. …

Kurz gesagt: Weihnachten ist ein fröhliches und freudiges, jedoch auch ein sehr “schwieriges” Fest. Nur warum singen die Engel von einer Welt, die es nicht gibt? Stellen wir die Frage anders. Was ist mit unserer Bibel geschehen? Warum enthält sie einen Hymnus mit solchen Worten?

…Und es stellt sich Folgendes heraus. 1516 veröffentlichte Erasmus von Rotterdam* den ersten gedruckten Text des Neuen Testaments in griechischer Sprache. In seiner Eile griff er dabei nur auf einige der späteren Handschriften zurück, die ihm in Basel zur Verfügung standen, was ihn zu einem Fehler verleitete. Der Fehler wurde später entdeckt, allerdings zu spät. Die russische Bibelübersetzung und auch die Übersetzungen in andere europäische Sprachen übernahmen den Fehler einfach. Letztlich veränderte die Abweichung von nur einem Buchstaben (in Russisch) die Bedeutung eines wichtigen biblischen Textes.

Im Lukasevangelium heißt es nämlich nicht “unter den Menschen ein Wohlgefallen”, sondern “den Menschen Seiner Wohlgefallen.”. Und das ändert alles. Lesen wir nun diesen Text nicht so, wie ihn Erasmus durch einen unglücklichen Fehler wiedergegeben hat, sondern so, wie ihn der Evangelist Lukas gehört und aufgezeichnet hat. “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen Seiner Wohlgefallen”, also “Friede auf Erden bei den Menschen guten Willens” (Lk 2,14).

Das heißt, das Weihnachtsfest brachte nicht die Verheißung des Friedens für alle Menschen. Es hatte nicht die Absicht, allen Menschen den Frieden zu bringen, indem es ihren Willen gegenüber dem in die Welt geborenen Christus umging. Der Friede wird nur den Menschen geschenkt, die guten Willens sind, Gottes Wohlgefallen, also “Menschen guten Willens”.

 Wie wird und bleibt man ein Mensch guten Willens, in dessen Leben die weihnachtliche Verheißung des Friedens ihre gnadenhafte Kraft entfaltet? Dazu ist es notwendig, vom guten Willen, vom Willen Gottes erfüllt zu sein. Ein Mensch, dessen ganzes Leben unsichtbar durchdrungen ist vom Geist der Dankbarkeit, vom göttlichen Verlangen nach dem Guten, vom Wunsch, dem Gebot Christi zu folgen. Das ist es, was uns den Frieden schenken kann, den uns Weihnachten schenkt. Ein Friede, nach dem sich viele Menschen sehnen, den aber nur diejenigen finden können, die im Gottes Wohlgefallen sind.

Die Heilige Schrift ist reich an Biographien von Menschen guten Willens. Hier ist eine von ihnen. Der Prophet Habakuk litt unter vielem Unglück. In die heutige Sprache übersetzt, könnte man sein Schicksal vielleicht so beschreiben: “Die Hütte hat Risse, die Scheune ist verfallen, die Apfelbäume tragen keine Früchte, die Rente bleibt aus, die Kinder sind in Not, und er ist auch noch krank geworden”. Und inmitten all dieser Verwüstungen des Lebens ruft Habakuk aus: “Dennoch will ich mich des Herrn freuen und fröhlich sein im Gott meines Heils” (Abb. 3,18). Er ist ein Mann des Gottes Wohlgefallen.

Ein römischer Hauptmann begegnet Jesus von Nazareth auf einer staubigen Straße in Palästina. Er bittet Christus, seinen Knecht zu heilen. Der Herr willigt ein, in sein Haus zu kommen. Doch der Hauptmann lehnt ab: “Meister, mach dir keine Umstände. Ich bin ein römischer Befehlshaber. Ich sage zu meinem Untergebenen: ‘Tu es’, und er tut es; ‘Tu es nicht’, und er tut es nicht. Herr, ich vertraue auf die gute Kraft deines Willens. Sprich das Wort, und mein Diener wird gesund.” ” Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!… Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.“ (Matthäus 8:10-14).

  Dann eine Samariterin, die sich aus einem Dorf schleicht, in dem viele sie nicht mögen. Der Mittag, die Hitze und schließlich die ersehnte Kühle des Brunnens. Hier begegnet sie Christus, der am Brunnen sitzt, hört seine Worte und findet den Sinn ihres zuvor grauen Daseins. Sie ging nicht zu Fuß, sondern lief in das bisher verhasste Dorf, wo sie eilends allen von dem erzählte, dem sie begegnet war.

   Das sind sie, die Menschen Gottes Wohlgefallen. Zu ihnen sagt Christus: “Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.” (Johannes 14,27). Friede sei mit dir, guter Ältester Habakuk, mit dir, römischer Hauptmann, mit dir, samaritanische Frau, und mit dir, und mit dir, und mit dir, und mit euch allen, die ihr den Gottes Wohlgefallen habt. Das sind die Worte des Evangeliums, die die wahre frohe Botschaft bringen, mit der Weihnachten zu uns kommt: “Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden unter den Menschen guten Willens” (Lukas 2,14).

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Die zweite Predigt – Unser Andreas

Welche Bilder kommen Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort “Weihnachten” hören? Wahrscheinlich stellen sich viele Menschen eine verschneite Nacht mit einem leuchtend gelben Mond am Himmel, zugefrorenen Fenstern und warmen Häusern vor. Die Lichter der Weihnachtsbäume schaffen eine einzigartige weihnachtliche Atmosphäre. Diese Wintertage sind erfüllt von der Erwartung, dass sich die größten Hoffnungen erfüllen. Dabei vergessen wir nicht: Jeder Geburtstag hat sein Geburtstagskind. Und diese Feiertage sind keine Ausnahme.

Der Evangelist Lukas berichtet von diesem glorreichen Geburtstag wie folgt: -“Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zurzeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.” (Lk 2,1-7).

Es gibt viele erstaunliche Geschichten darüber, wie Babys auf die Welt kommen. Es gibt Fälle, in denen ein ungeduldiges Baby seine Geburt in einem rasenden Auto auf der Autobahn oder in einem Flugzeug über den Wolken ankündigt. Dennoch bleibt die biblische Geschichte, die wir lesen, unvergleichlich. Und das nicht nur, weil ein Kind in einem kleinen palästinensischen Viehstall geboren wurde. Es war nicht einfach ein Junge namens Jesus, der da zur Welt kam. In jener Nacht vor langer Zeit erschien “der mächtige Gott, der Vater von Ewigkeit, der Fürst des Friedens” auf der Erde. So beschreibt es der Prophet Jesaja (Jes 9,6). Für viele Menschen klingt das unglaublich. Ist es überhaupt möglich, von der Geburt Gottes zu sprechen? Allerdings die Heilige Schrift sagt durch den Mund des Apostels Paulus: “Und kündlich groß ist das gottselige Geheimnis: Gott ist offenbart im Fleisch…”(1. Tim. 3:16). Das ist das Wunder und die Herrlichkeit der Geburt Christi! Doch es bleibt auch eine gewisse Traurigkeit. Josef, Maria und Christus der in die Welt kommt, finden keinen Platz in der Herberge, in der es sich viele Menschen gemütlich gemacht haben.

    Eines Tages erhielten ein junger Schullehrer und seine Schüler den Auftrag, ein Krippenspiel vorzubereiten und aufzuführen. Mit großem Eifer machten sich die Jungen und Mädchen an die Vorbereitung einer so wichtigen Aufgabe. Die bevorstehende Aufführung sollte nämlich eine Prüfung für den jungen Klassenlehrer werden. Es sollte eine Art kreativer Bericht über seine Arbeit, seine Bemühungen und seine pädagogischen Erfolge sein. Die Aufführung sollte von allen Lehrern der Schule, dem Schulleiter und natürlich vielen Eltern besucht werden. Bald war das Drehbuch fertig und die ganze Klasse begann mit den Proben. Es war nicht einfach, die Kostüme und das Bühnenbild vorzubereiten. Am schwierigsten war es jedoch, die Rollen zu verteilen. Einige Eltern legten Wert darauf, dass ihre Kinder sichtbar waren und sich positiv von ihren Mitschülern unterschieden. Das alles bereitete dem Lehrer Kopfzerbrechen, der versuchte, die Rollen entsprechend den Fähigkeiten der Kinder zu verteilen. Es gab einen Jungen in der Klasse, Andreas, nicht sehr begabt, mit einem mittelmäßigen Gedächtnis, dafür friedlich und freundlich. Und er war es, für dem man keine passende Rolle finden konnte. Man versuchte lange, ihn irgendwo unterzubringen, doch es gelang nicht. Alle Rollen verlangten, dass er viele Zeilen auswendig lernte und sie dann deutlich aussprach. Egal welche Rolle Andreas bekam, er musste sich verirren und etwas verwechseln.

Endlich gab es etwas für ihn zu tun. Der Lehrer beschloss, ihm die Rolle des Wirtes zu geben, bei dem Josef und Maria anklopfen sollten. Andreas Mutter atmete auf: Ein Ausweg war gefunden. In der Rolle des unfreundlichen Gastgebers hatte Andrea nur wenig zu tun: Auf Klopfen die Tür öffnen, die Fremden mürrisch anschauen, sagen: „Im Hotel ist kein Platz“, die Tür zuschlagen und die ungebetenen Gäste auf der Straße stehen lassen. Nur vier Worte, die schwer zu verwechseln sind. Der lang ersehnte Tag der Premiere war angekommen. Alle im überfüllten Saal fieberten der Aufführung entgegen. Andreas Mutter saß in der letzten Reihe und wartete darauf, dass ihr Sohn die Bühne betrat. Der Lehrer erschien im Saal und ging dann hinter die Bühne zu den Jungen, um letzte Anweisungen zu geben. Die Aufführung begann reibungslos.

Ein müder Josef und die Jungfrau Maria, die auf einem Esel sitzt, erscheinen auf der Bühne. Sie bleiben vor der Tür der Herberge stehen, Maria steigt vom Esel, Josef streckt die Hand aus und in der gespannten Stille des Saales ertönt ein Klopfen. Die Tür öffnet sich und auf der Schwelle erscheint der Wirt, unser Andreas. Maria sah ihn bittend an, und Josef sprach mit leiser Stimme: – Gibt es keinen Platz, wo wir bleiben können? Meine Frau ist in den Wehen. Wir haben einen langen Weg hinter uns und sind sehr, sehr müde.

– Sehr müde? – fragte der Gaststätte Wirt nachdenklich, und es entstand eine Pause. In diesem Augenblick blinzelte Andreas Mutter schmerzhaft, und der Lehrer biss sich mit aller Kraft auf die Unterlippe. Der Wirt blickte noch einmal auf den müden Josef, dann auf die traurige Maria, trat zur Seite und sagte: – Tritt doch ein …

Der Lehrer fasste sich mit beiden Händen an den Kopf, Andreas Mutter sprang von ihrem Platz auf und brüllte fast durch den ganzen Saal: – Im Hotel ist kein Platz!!!

  – Und ich werde meinen Platz räumen”, – antwortete der Wirt laut und bestimmt, ohne die Anwesenden anzusehen. Dann wandte er sich Josef und Maria zu und fügte fröhlich hinzu: – Was steht ihr da? Kommt herein. Ich weiß alles. Christus wird bei euch geboren!

Der Lehrer eilte aus dem Saal, die Mutter des unglücklichen Schauspielers, die ihr Gesicht mit den Händen bedeckte, sackte auf ihrem Stuhl zusammen, die Schuldirektorin schüttelte den Kopf… Die Vorstellung wurde abgebrochen. Doch das Wunder, das Weihnachten immer begleitet, geschah auch diesmal, wenn auch von vielen unbemerkt. Es war etwas, das es vielleicht in der ganzen christlichen Geschichte noch nicht gegeben hatte. Das Herz eines gütigen Kindes passte nicht in das Szenario, das sich vor zweitausend Jahren im wirklichen Leben von herzlosen Erwachsenen abspielte. Ein Junge versuchte, die Weihnachtsgeschichte zu verändern. Er gab Christus seinen Platz…

Weihnachten ist der Tag, an dem Christus wieder an unser Herz klopfen wird. Schaffen Sie einen Platz für ihn. Haben Sie keine Angst vor dem Urteil den Mitmenschen. Denn wenn du die Tür nicht aufschließt, die du so sehr schätzt, ist das eine sehr unglückliche Entscheidung für dein Leben. **

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 Die dritte Predigt – Ängste und Freuden

In diesen Januartagen wird der Name Jesus Christus in einer Reihe von Ländern, die traditionell zum östlichen Christentum gehören, besonders häufig genannt. In der zweiten Dezemberhälfte ereignet sich Ähnliches in den Ländern Westeuropas und des amerikanischen Kontinents. Wie wir wissen, können die Geburtsdaten, die von den Christen der verschiedenen Konfessionen geehrt werden, nicht als exakt angesehen werden. Dennoch ist es gut, dass wenigstens einmal im Jahr viele Menschen der Geburt des Erlösers in die Welt gedenken. Das Weihnachtsfest ist immer mit Hoffnung verbunden. Christen können heute mit Recht sagen, dass mit der Geburt Jesu die Hoffnung sichtbar in die Welt gekommen ist. Und mit ihr der Glaube und auch die Liebe. Der Himmel hat sich der Erde zugewandt wie eine Mutter ihrem Kind. Das Beste wurde irdisch und erreichbar. Die Geburt dieses Kindes bestätigte feierlich die frohe Botschaft: Gott ist mit uns.

Doch wenn wir die Geschichte des Evangeliums lesen, stellen wir plötzlich fest, wie unterschiedlich die Nachricht von der Geburt Jesu aufgenommen wurde.  “Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes zu Bethlehem in Judäa geboren war, kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sagten: ‘Wo ist der König der Juden, der geboren ist? Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, um ihn anzubeten. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Und er versammelte alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und fragte sie: Wo soll Christus geboren werden? Sie antworteten ihm: Zu Bethlehem in Judäa. Denn es steht geschrieben durch den Propheten: “Und du, Bethlehem, Land Juda, bist nicht geringer denn die Provinzen Judas; denn aus dir wird der Fürst kommen, der mein Volk Israel erretten wird. Da rief Herodes heimlich die Weisen und erfuhr von ihnen die Stunde, in der der Stern erschienen war, und sandte sie nach Bethlehem und ließ ihnen sagen: Geht hin und sucht sorgfältig nach dem Kind, und wenn ihr es findet, sagt mir Bescheid, damit ich hingehen und es anbeten kann. Und als sie den König gehört hatten, gingen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her und kam und blieb über dem Ort stehen, wo das Kind war. Und als sie den Stern sahen, freuten sie sich sehr; und als sie in das Haus gingen, sahen sie das Kind und Maria, seine Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und brachten ihm Geschenke von Gold und Weihrauch und Smyrna. Und als ihnen im Traum offenbart wurde, dass sie nicht zu Herodes zurückkehren sollten, zogen sie auf einem anderen Weg in ihr Land.” (Matthäus 2,1-12).

Stellen wir uns nun eine, sagen wir, in gewissem Sinne ähnliche Situation vor. Es ist Abend, in der gemütlichen Küche Ihrer Wohnung, Sie trinken einen heißen Tee nach einem anstrengenden Tag, nach einem heißen Bad und genießen die Ruhe. Plötzlich klopft es heftig an der Tür. Sie öffnen gemächlich. Drei Männer stehen auf der Schwelle. Höflich fragen sie:

– Können wir den Besitzer dieser Wohnung sehen?

– Er steht vor euch”, antworten Sie und lecken sich die Marmelade von den Lippen.

– Nein, nein. Wir möchten den neuen Eigentümer dieser Wohnung sehen.

– Was ist das für ein Unsinn? Ich bin der Vermieter dieser Wohnung”,- wiederholen Sie und nehmen eine festere Haltung ein.

– Nach unseren Berechnungen gibt es seit kurzem einen neuen Eigentümer dieser Wohnung in der Stadt, und den würden wir gerne sehen.

– So ein Quatsch! Sie haben sich in der Adresse geirrt – Sie ärgern sich über die Höflichkeit ungebetener Besucher.

 – Nein, das ist es nicht. Das ist kein Quatsch. Diese Wohnung hat jetzt einen anderen Besitzer. Wir haben gestern seinen Stern gesehen.

 – Ich glaube nicht an Astrologie”,- scherzen Sie nervös.

 – Sie sollten …

  Empört über diese Hartnäckigkeit knallen Sie die Tür zu und kehren verärgert in die Küche zurück. Ihr Tee ist kalt, Sie sind schlecht gelaunt und können nicht schlafen. Sie sind sich sicher, dass alles, was passiert ist, lächerlich und ein Missverständnis war. Aber da ist eine unterschwellige Angst in Ihrer Seele: “Ein neuer Herr” – genau das, was ich brauchte…

Kehren wir nun zum Evangelium zurück. Es stellt sich heraus, dass der große Schurke Herodes der Große mehr Geduld hatte als das.

 – Könnt Ihr mir die Adresse des neuen Königs geben, wenn Ihr ihn findet? – fragt Herodes mit geheucheltem Interesse, das die Höflichkeit der Gäste widerspiegelt.

– Natürlich! Gern”,- antworteten die Weisen, dankbar für das Verständnis, und gingen. “Ein neuer König, das hat mir gerade noch gefehlt”, dachte Herodes, “dann wollen wir uns mal verbeugen…”.

Doch die Weisen entsprachen nicht den Erwartungen des Herodes. Sie beschlossen, nicht zu dem “neugierigen” König zurückzukehren. Die Zeit vergeht. Plötzlich erzählen die Diener Herodes, dass es Neuigkeiten von den Weisen gibt. Der überglückliche König hörte in seiner Aufregung nicht, was gesagt wurde. Es war keine Nachricht von den Weisen, die in den Palast zurückgekehrt waren, sondern eine Nachricht über die Weisen. Aber Herodes merkt es nicht. Er lächelt spöttisch, während er auf die Rede wartet. Und was hört der König? Die Weisen sind verschwunden! Sie sind nirgends zu finden! Das starre Lächeln blieb noch einige Augenblicke auf dem maskierten Gesicht des Herodes. Dann zuckte ein Nervenkrampf durch seinen ganzen Körper. Wie konnte er vertrauen? Er hatte doch noch nie jemandem vertraut! Herodes kommt zur Besinnung. Die Apotheose des Zorns …

Diese einfache Analogie hilft uns, besser zu verstehen, warum die königliche Person und mit ihr ganz Jerusalem beunruhigt war. Schon die Frage nach dem neugeborenen König der Juden deutete auf einen bevorstehenden Machtwechsel hin. Ein neuer König war in die Welt, in das Land und in die Stadt gekommen. In der alten Wohnung gab es einen Herrenwechsel. Zwei Mägde in der Küche können nicht miteinander auskommen. Zwei Könige können nicht auf einem Thron sitzen. Da muss etwas geschehen. Herodes’ Angst ist verständlich. Doch warum hatte das Volk Angst? Tatsache ist, dass ein Machtwechsel immer viele Fragen aufwirft. Werden wir ärmer oder reicher? Werden wir versklavt oder frei sein? Wer wird über uns herrschen? Wen und was werden wir anbeten müssen?

Drei Jahrzehnte sollten vergehen, bis allen klar wurde, dass der neue König nicht in die Welt gekommen war, um Herrscher und ihre Stellvertreter abzusetzen. Kapitel des Lukasevangeliums lesen wir, wie der Nachfahre von Herodes dem Großen, ebenfalls Herodes, Jesus wenige Stunden vor dessen Kreuzigung begegnet. “Herodes … freute sich sehr, denn er hatte sich schon lange danach gesehnt, ihn zu sehen” (Lk 23,8). Keine Angst. An ihre Stelle trat Freude. Freude, weil klar wurde: Jesus ist gar kein König! Er erhebt keinen Anspruch auf den Thron. Wie gut! Welche Erleichterung!

Der neue König ist nicht in die Welt gekommen, um die Menge zu manipulieren. In Johannes 6 lesen wir, dass die Menge Jesus sucht und ihn zum König machen will. Aber er verbirgt sich vor ihren neugierigen Augen. Der neue König ist nicht in die Welt gekommen, um sich verehren zu lassen. Im Gespräch mit einer namenlosen Frau sagt er plötzlich, dass sein “Vater Anbeter für sich selbst sucht”. Er sucht! Ohne jemanden zu zwingen. Der neue König kam, um uns mit der Erkenntnis der Wahrheit zu bereichern. Dadurch befreit Er uns und rettet uns von unseren Sünden. Er kam, um uns ein freudiges, persönliches, freies Verlangen nach Anbetung zu geben. Den anzubeten, von Dem unser Leben herkommt. Und in der Anbetung von Christus liegt unsere Würde. Bunins diesbezügliche Verse sind wunderschön: Du hast meine Knie gebrochen, Kalvarienbergs Kreuz, demütiger Blick…..
Christus kam, um uns von unserer Zugehörigkeit zum Reich des allmächtigen und liebenden Gottes zu überzeugen…

Doch an jenem Tag wurde Herodes der Ältere “unruhig und ganz Jerusalem mit ihm”. Warum? Weil die Ankunft eines neuen Königs nicht völlig unerwartet und unvorhersehbar sein konnte. Viele Menschen damals hatten Informationen über den kommenden König. Sie kannten Ort, Zeit und Umstände seiner Geburt. Aber sie wussten so gut wie nichts über den Charakter des Königs und den Geist seines Reiches. Sie hatten es versäumt, das Wort Gottes sorgfältig zu lesen. Es war nicht der Mangel an Information über die Wahrheit, der sie beunruhigte. Es war das Fehlen einer persönlichen Beziehung zur Wahrheit. Es gab keine Liebe zur Wahrheit in ihnen. Deshalb machte die Wahrheit viele nicht glücklich, sondern beunruhigte, ja erschreckte sie.

Christus hat vorausgesagt, dass sich am Vorabend seiner Wiederkunft die allgemeine Unruhe der Welt in seelenzerstörende Angst verwandeln wird. Und dieses erdrückende Gefühl wird das Los einer Welt sein, die im Unglauben untergeht. Im Bild der Weisen aus dem Morgenland sehen wir jedoch eine ganz andere Geisteshaltung. “Als sie aber den Stern sahen, sie freuten sich mit großer Freude” (Matthäus 2,10). Es ist kein Zufall, dass der Apostel Paulus später sagen wird: “Denn das Reich Gottes…(ist) Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist” (Röm. 14,17). Und Christus betonte: “Das Reich Gottes ist inwendig in euch” (Lk 17,21).

Sie sehen einen Stern, den sonst niemand sieht. Sie genießen eine Freude, die andere nicht kennen. Hier ist kein Platz für Angst. Hier herrscht Klarheit und Sicherheit. Die Weisen freuen sich. Freude wohnt in ihren Herzen. In ihnen wohnt das Reich Gottes. Wie die Bewohner Jerusalems lasen sie dasselbe Wort der Heiligen Schrift. Doch wie auffallend unterschiedlich waren ihre Stimmungen, ihre Einstellungen zum kommenden König und damit zu seinem Reich. Sie liebten, was sie lasen. Ihre Liebe zur Wahrheit, die sie lernten, machte sie zu geistlich erleuchteten Menschen. Geistige Erkenntnis öffnete ihnen die Augen. Sie sahen am Himmel, was andere nicht sahen. Sie waren bereit, diesem Stern weit und lange zu folgen. Sie waren begierig, den König zu sehen und ihn anzubeten. “Als sie den Stern sahen, freuten sie sich sehr” (Matthäus 2,10). Und wie drückt sich diese Freude aus? In der Anbetung! Darin drückt sich die ursprüngliche, die wahre Weihnachtsfreude aus.

An den modernen Weihnachtstagen wird viel überschwängliche, doch eigentlich falsche Freude verbreitet. Weihnachtsdiscos, Weihnachtsaufführungen, Weihnachtsrabatte und -Verkäufe. So viel Freude! Und was hat Christus damit zu tun?

Warum war das alte Jerusalem in Aufruhr, während unsere Zeitgenossen so seltsam “erstickt” sind vor Freude? Liegt es nicht daran, dass die Menschen heute wissen, dass sich an der Macht nichts ändern wird, dass alles beim Alten bleibt? Weihnachten wird uns nicht beunruhigen. Im Gegenteil, es wird uns mit fröhlichen Diskotheken, allen möglichen bunten Theater- und Fernsehshows erfreuen; die Werbung wird voll sein mit den strahlendsten Stars des Showbusiness, mit niedrigeren Preisen für “Lumpen”, mit beliebten Filmkomödien und so weiter und so fort. …. Wo und was ist die ursprüngliche, wahre Freude an Weihnachten? Ist davon noch etwas übrig?

In dem Text, den wir lesen, Matthäus 2,1-12, wird das Wort “Anbetung” dreimal erwähnt. Und das ist kein Zufall. Sowohl Herodes als auch die Weisen äußerten den Wunsch, anzubeten. Doch nur die Weisen taten es. Der Wunsch des Herodes erwies sich als falsch. Allerdings wirkte die Vortäuschung des Herodes so ehrlich, dass die Weisen an die Aufrichtigkeit seines Wunsches glaubten, dem neuen König zu dienen. Gott bewahrte sie vor einer erneuten Begegnung. Gott sieht, was Menschenaugen verborgen bleibt.

So wollten die Weisen nicht nur anbeten, sondern sie taten es auch aufrichtig. So kam ihre Freude zum Ausdruck. Herodes wurde durch Weihnachten beunruhigt und fand weder Freude noch Frieden. Wahre Freude findet man nur in der Anbetung des Herrn Jesus Christus. Und viele Menschen in Jerusalem kennen dieses helle Gefühl immer noch nicht. Dank der Touristen, die die Stimmung zumindest ein wenig aufheben ….

“Als sie den Stern sahen, wurden sie froh” (Matthäus 2,10). Das war der Gemütszustand derer, die den in die Welt geborenen König Jesus fanden. Wahre Freude gibt es nur in und durch die Anbetung des Königs der Könige und des Herrn der Herren.

Angst und Freude. Vor uns liegt die Manifestation zweier Beziehungen. Welche ist die unsere? Ein König, der geboren wird, ruft immer zwei Haltungen, zwei Reaktionen hervor. Und so wird es bis zum Ende dieses Zeitalters sein. Die biblischen Prophezeiungen bezeugen dies. Manche Menschen werden sich aus Furcht an die Steine wenden, um sich vor dem Angesicht Christi, der in die Welt kommt, zu verbergen: “Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt…”(Offb 6,16). Andere werden zu Gott rufen: “Siehe, das ist unser Gott: auf den wir harren, und er wird uns helfen; das ist der HERR auf den wir harren, daß wir uns freuen und fröhlich seien in seinem Heil. (Jesaja 25,9)

Die Weihnachtszeit ist eine gute Gelegenheit, sich zu fragen: Was ist mein Geist?

Die Ängste der Bewohner Jerusalems sind uns leider nur zu schmerzlich vertraut. Inwiefern? Natürlich klopft es heute nicht an unsere Tür. Der geborene König droht auch nicht, uns aus unseren Palästen” zu vertreiben. Christus klopft an die Tür unseres Herzens. Und das löst manchmal Unruhe in unserer Seele aus. Eine Unruhe, die durch die plötzliche Erkenntnis hervorgerufen wird, dass da nicht ein Bettler mit Weihnachtsliedern an die Tür klopft, den man einfach hinauswerfen kann. Es ist der König selbst, der da anklopft! Wenn ich ihm die Tür öffne, wird er sich nicht mit einem kleinen Almosen zufriedengeben. Er wird jeden Platz in meinem Leben einnehmen. Alles, ohne Ausnahme! Es ist die Unterwerfung unter Gott, Seine Anbetung, die uns so oft daran hindert, Ihm unsere Türen zu öffnen.

Obwohl ist es nicht nötig, die Tür zu öffnen. Man könnte einfach in deinem dunklen Schrank sitzen und so tun, als ob niemand zu Hause wäre, oder laut schreien: “Ich bin der Chef, verschwinde!” Doch das würde bedeuten, entweder in die Angst des Unglaubens, in die Furcht, in die Hoffnungslosigkeit oder in eine schmerzhaft vorgetäuschte Freude zurückzufallen.

Christus sagt: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. (Joh 14,6). Und der Sohn Gottes hat auch gesagt, dass Er unsere Auferstehung und unser Leben ist (vgl. Joh 11,25).

Mögen Weihnachten, die glorreiche Tat des Erlösers am Kreuz und die strahlende Auferstehung Christi unser Leitstern sein. Und möge keiner von uns in die Angst zurückfallen, den König der Könige abzulehnen. Mögen wir vielmehr Freude daran finden, den Herrn aller Herren anzubeten!

***

Unbegreiflich ist die Gnade – unermesslich!
Wie Strahlen, die durch Tod und Dunkel leuchten,
bleibt sie lebendig, ewig und beständig,
erreicht dich selbst im Schmerz, durch Schnee und Nächte.

Ihre Treue trotzt der Hürde dieser Welt,
kein Ort bleibt unberührt von ihrem Licht.
Es gibt kein Dunkel, das sie nicht erhellt,
kein Winkel, wo ihr Glanz nicht Hoffnung spricht.

Und doch – ein Fall bleibt jenseits ihrer Macht:
Das Herz, verriegelt mit dem Schlüssel Zweifel,
bleibt für die Gnade unerreichbar still,
solang der Unglaube den Zugang bewacht.

N.I. Shcheglova

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*Dies bezieht sich auf Erasmus von Rotterdam (Desiderius), das Pseudonym von Gerhard Preet (1469-1536), einem humanistischen Gelehrten, Philologen, Schriftsteller und Theologen der Renaissance.

(Die exegetische Idee für diese Predigt wurde von Edwin Yamauchi, dem ehemaligen Herausgeber von Christianity Today, entlehnt.)

**(Die Idee zu dieser Predigt stammt von Tom Taves, einem ehemaligen Englischlehrer an der Theologischen Akademie Zaoka.)

 

 

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