Nimm dein Kreuz und folge Christus nach.
Diese Worte Christi voll Spannung und Tiefe mögen bei manchen Unverständnis provozieren.. Was meint der Herr, wenn er sagt: Wenn du dein Leben erhalten willst wirst du es verlieren?
Ist es nicht das Natürlichste auf der Welt, sein Leben zu erhalten? Der Herr sagt: „Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren.” Das heißt ja, dass man um des Herrn Jesu Christi und des Evangeliums willen sein Leben verlieren muss, um es zu erhalten.
Was aber bedeutet das? Wie ist das zu verstehen? Natürlich kann es keinen Widerspruch in den Worten Christi geben. Wir werden sie richtig begreifen müssen. Die Antwort, die der Herr Selbst gibt, räumt jedes Missverständnis aus. unser „Wer Mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst. Er nehme sein Kreuz auf sich und folge Mir nach.” Wenn immer wir dies tun, erhalten wir unser Leben. Voraussetzung dafür sind Selbstverleugnung, Aufnahme des Kreuzes und Nachfolge Jesu Christi.
Was heißt: Sich selbst verleugnen?
Entscheidend für uns ist zu wissen: Sich selbst verleugnen heißt das eigene Lebensverständnis in Frage zu stellen, des Lebensweges zu verzichten und dem abzusagen, was unser Herz fälschlich begehrt. Ziele, die wir uns vorgenommen haben, unter Gottes Urteil zu stellen und den Eigenwillen dem Willen Gottes unterzuordnen. Ist das unzumutbar und bedenklich? Natürlich nicht. Ihr wisst, jeder Lehrjunge muss sich ganz und gar an die Weisungen des Meisters halten; muss ihm gehorchen, seine Aufträge erfüllen und so arbeiten, wie es der Meister befiehlt. Oder ein anderes Beispiel. Sobald ein Mensch den Entschluss fasst, den Weg monastischen Lebens zu wählen, hat er sich beim Eintritt in ein Kloster der Forderung zu stellen, sich völlig von seinem eigenen Willen loszusagen, ihm wird ein Mentor, ein Starze aus der Zahl der im geistlichen Leben erfahrenen Mönche zur Seite gestellt, dem er widerspruchslos zu folgen hat, was immer der Starze ihm auch aufträgt.. Er wagt ohne den Segen des Starzen keinen Schritt zu gehen, kein Werk zu beginnen nicht anders zu urteilen als der Starze. Er muss ganz und gar seinen Willen aufgeben und nach dem Willen seines Starzen leben. Erst dann wird er wahrhaftig ein Mönch.
Im Krieg ist bekanntlich jeder Soldat zu völligem und widerspruchslosem Gehorsam gegenüber den Befehlen nicht allein seines Oberkommandierenden, sondern auch seiner Vorgesetzten im niederen Rang verpflichtet. Er darf nicht räsonieren, ihre Anordnungen kritisieren, sondern hat die Befehle genau auszuführen, selbst bei Lebensgefahr und darf sich nicht widersetzen. Im normalen, weltlichen Leben kommt das der Verleugnung seines Willens, gleich. Solche Verleugnung, Absage an alles, was uns wünschenswert, richtig und vernünftig dünkt, an eigene Ideen und vorgezeichnete Wege unseres Lebens und Wirkens, fordert von uns Jesus Christus, der Herr. Wir sollen ohne Vorbehält verwerfen können, was wir selbst denken und selbst wollen. So werden wir dem Herrn Jesus Christus gehorsam in letzter Konsequenz, gehorsam bis zum Tode. Wir sollen unser Leben hassen, weil der Herr — wie wir im Lukasevangelium lesen — gesagt hat: „Wer zu Mir kommt und sich nicht selbst hasst, kann nicht Mein Jünger sein” (Lk 14, 26).
Weshalb muss man sich selbst hassen?
Sehr einfach. Man braucht nur genau in sich hineinzuschauen und ehrlich die geheimen Winkel seiner Seele zu erforschen. Dann erkennt jeder Sünder, was dort geschieht. Finsternis herrscht dort, es wimmelt von Schlangen der Lüge, der Ausschweifung, des Neides, des Stolzes, der Völlerei, der Dieberei, ja sogar des Mordes. Alle diese Schlangen haben dort ihr Wesen. Normalerweise hassen wir Schlangen und vernichten sie. Wie sollten wir uns nicht vor ihnen hüten? Können wir dann die Schlangen in unserem Herzen lieben? Wir müssen sie und uns selbst hassen. In uns ist wenig, was Liebe verdient, aber viel verbirgt sich dort, was Hass verdient. Wenn ihr zufällig erkennt, dass auf euren Schultern schmutzige, stinkende Fetzen hängen, streift ihr sie unwillkürlich ab und schleudert sie mit dem Fuß zur Seite. Sobald aber ein sündiger Mensch in sich hineinschaut, dann sieht er dort, dass die Kleidung seiner Seele jenen übel riechenden Fetzen gleicht. Er ekelt sich, wendet sich ab und hasst diese Fetzen, er hasst seine eigene Seele, die so hässlich gekleidet ist.
So gesehen ist nichts seltsam an der Forderung Christi. Zu hassen ist der eigene Stolz, die Überheblichkeit, die unser Leben nach eigenem Gutdünken einzurichten heißen und uns eigene Lebensziele stecken.
Das alles gilt es abzustreifen wie ein staubiges Spinnennetz, das wir mit den Plänen unseres Lebens gewebt haben. Wir sollen uns selbst hassen, auf den eigenen Willen verzichten, unsere eigenen Pläne verwerfen und demütig uns beugen unter das leichte Joch Christi. Reichen wir doch dem Herrn Jesus Christus zitternd die Hand: „Herr! Ich will nicht mehr meine Wege gehen, ich werde Dir nachfolgen, führe Du mich!”
Erst jetzt wird für uns Nachfolge Christi möglich. Wir werden nichts Sonderbares an den Worten Christi finden: „Wer zu Mir kommt und nicht sich selbst hasst, kann nicht Mein Jünger sein.”
Ist uns ein Kreuz auferlegt, werden wir natürlich nicht zum Vergnügen oder zum Zeitvertreib gehen, sondern dorthin unsere Schritte lenken, wohin die Verbrecher gehen, die ihr Kreuz tragen. Wir sollen Jesus Christus nach Golgatha folgen, ja sogar bis in den Tod.
Welchen Tod verlangt Jesus, der Herr, von uns? Etwa den physischen Tod am Kreuz, den Er Selbst erlitt? Nein, nicht diesen Tod verlangt Er von uns.. Er verlangt, dass wir Ihm völlig gehorsam und durch und durch demütig sind, dass wir wie Er handeln, Der Sich Selbst gering achtete: Er, Der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte Sich Selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte Sich Selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz” (Phil 2,6-8). Wie Er Seinem Vater gehorsam war, so sollen auch wir Ihm bis zum Ende gehorsam bleiben. Er führt uns in den Tod, aber nicht in den, vor dem unser Herz zittern muss. Er verlangt von uns, dass wir die Worte des Apostels Paulus beherzigen: „Die aber Christus Jesus angehören, die haben ihr Fleisch gekreuzigt samt den Leidenschaften und Begierden” (Gal 5,24). Er verlangt, dass wir unser Fleisch, unsere Leidenschaften ans Kreuz schlagen und dort umbringen. Er fordert, dass wir unsere Sünden ans Kreuz heften, wie Er die Sünden der ganzen Welt an Sein Kreuz genagelt hat. Er will, dass wir den alten Menschen kreuzigen, der nicht nach Seinen Geboten lebt. Sein Gebot ist es, dass wir jenen alten Menschen, der unter der Macht des Diabolos steht, hassen, ihn wie ein schmutziges, altes Gewand abstreifen und ein neues Leben, das Leben eines wieder geborenen Menschen, beginnen, der im Geiste voranschreitet und den Weg des Geistes geht.
Dies erwartet Christus von uns. Das sollen wir zu Stande bringen, denn sonst werden wir nicht von allem Unflat unserer Seele rein, hassen ihn nicht. Damit die Sonne scheint, müssen die nächtlichen Wolken verziehen, soll reine Luft in unsere Wohnung einströmen, muss sie von allem Schmutz gereinigt sein.
So verhält es sich auch mit uns selbst, mit unserer Seele, wenn wir nicht absagen und unser Fleisch ans Kreuz schlagen, wie können wir dann Christus nachfolgen?
Eines sollten wir dabei nicht außer Acht lassen, wenn wir dieses große Werk tun. Dann steht uns ein schwerer und langer Kampf bevor, denn jener alte Mensch, den wir abgeworfen oder ans Kreuz geschlagen haben, ist ein wütendes Tier. Und je mehr wir es schlagen, je mehr wir es kreuzigen, desto wütender wird es die Zähne fletschen. Es bleibt gefährlich für uns und wird uns nie in Ruhe lassen. Der Kampf mit ihm ist uns bis zum Ende unseres Lebens verordnet.
Aus den Viten der Heiligen erfahren wir, dass sie alle bis an das Ende ihrer Tage einen endlosen Kampf mit diesem ihren alten Menschen geführt haben, den sie immer wieder kreuzigen mussten. Wir wissen, wie lange Jahre hindurch die ehrw. Maria von Ägypten gelitten hat, nachdem sie ihr ausschweifendes Leben voller Luxus, Zärdichkeit und Freude hinter sich gelassen hat und in die Wüste gegangen war. Ständig suchten sie die Bilder ihres verflossenen Lebens heim. Da sah sie die süßen und schmackhaften Gerichte, an die sie so sehr gewöhnt war. Sie verlangte nach kostbarem Wein, den sie früher gern getrunken, dürstete nach den Ergötzungen der Liebe und dem Glanz ihres Lebens in Alexandrien. Wieder und wieder wurde sie von diesen Versuchungen gequält, die ihr Fleisch anstachelten und ihren alten Menschen nicht in Ruhe ließen. Lange, sehr lange Jahre des Kampfes waren nötig, um letzten Endes die erwünschte Ruhe für ihre Seele zu finden.
Einen ähnlichen Kampf führten alle Heiligen. Er bleibt auch uns nicht erspart, sofern wir uns entschieden haben, die Worte Christi zur Selbstverleugnung zu beherzigen. Man muss einen langen, beschwerlichen und dornigen Weg gehen und darf sich nicht auf ihm aufhalten lassen. Denn wer im geistlichen Leben rastet, der fällt zurück, d.h. verliert all das Gute und Heilige, was er bereits gewonnen hatte. Es gilt ständig voran zu schreiten, vorwärts und immer wieder vorwärts zu eilen.
Wer hat Größeres erlebt als der heilige Apostel Paulus, der bis in den dritten Himmel entrückt wurde und die Seligkeit der Gerechten sah? Wer kann sich mit ihm vergleichen in seiner Entschlossenheit, das eigene Fleisch zu kreuzigen? Wer wagt zu sagen wie er: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir, für mich ist die ganze Welt gekreuzigt”?
Doch was schreibt dieser großartige Mann: „Liebe Brüder, ich halte nicht dafür, dass ich’ s erreicht habe, ich vergesse, was dahinten ist und strecke mich aus nach dem, was vorn ist, dem Ziel zu” (Phil 3,13). Er trachtete immer nach oben, denn das vor ihm liegende Ziel ist groß, heilig und schwer zu erreichen. Er eilt und läuft.
Sollten wir nicht auch eilen, sollten wir nicht laufen, wenn wir dem Weg folgen, den der Apostel gegangen ist und den uns Jesus Christus, der Herr, gezeigt hat. Dies heißt, sich selbst verleugnen und Christus nachfolgen.
Und was heißt sein Kreuz auf sich zu nehmen?
Der Herr sagt, ein jeder von uns muss sein Kreuz auf sich nehmen. Was für Kreuze gibt es? Ihrer sind viele, ganz unterschiedlich bei den verschiedenen Menschen, denn für jeden hat Gott das eigene Kreuz bereitet. Daher ist es wichtig für uns zu begreifen, was unser Kreuz ausmacht. Und es ist wichtig, dass wir gerade dieses Kreuz auf uns nehmen, das Gott uns vorlegt. Es wäre sehr gefährlich, wollten wir uns, was häufig vorkommt, unsere eigenen Kreuze zimmern. Gott hat für jeden ein Kreuz im weltlichen Leben, im Leben der Familie, in der Öffentlichkeit. Selbst wenn wir uns entschlossen haben, Christus nachzufolgen, unser Kreuz zu tragen, und uns selbst verleugnen, wird das nichts eintragen, falls wir uns selbst ein uns genehmes Kreuz zurechtlegen. Die meisten von uns tragen leichte Kreuze, nicht solche, wie sie die Märtyrer oder die großen Gottesmänner in der Wüste bis an ihr Lebensende getragen haben. Für uns stehen andere bereit.
Das Leben aller Menschen ist gezeichnet von Kummer, Trauer und Leid. Schmerzen, Trauer und Leiden unseres hiesigen Lebens in Gesellschaft und Familie machen unser Kreuz aus: Eine misslungene Hochzeit, eine falsche Berufswahl, schwere Krankheiten, Diffamierung, Verleumdung, Verlust des Vermögens, Eifersucht in der Ehe, Böses, was uns Leute antun.
Auch Menschen, die Christus hassen und den Weg Christi verwerfen, tragen ihr Kreuz.
Worin liegt der Unterschied zwischen Christen und den anderen, die ihr Kreuz tragen? Der Unterschied wird an der Art deutlich, wie sie ihr Kreuz tragen, demütig, sodass sie Gott nicht lästern und geduldig, dass sie es bis ans Ende ihres Lebens nicht abwerfen in der Nachfolge des Herrn. Sie bleiben unter der Last des Kreuzes aus inniger Liebe zu Christus, weil ihr Sinn und ihre Wünsche vom Evangelium gesättigt werden. Um dem Evangelium zu entsprechen und den Weg Christi zu gehen, trägt der gläubige Mensch sanft und ohne zu ermüden seine Last, Segen auf den Lippen, keinen Fluch. So erfüllt er das Gesetz Christi.. Es ist ein weiter Weg, und begann in einer engen Pforte.
Eigentlich wollen wir alle, dass unsere Lebenswege weit und breit, frei von allem Dornengestrüpp, von Schmutz, Steinen und Gräben und mit Blumen übersät sind.
Der Herr aber zeigt uns einen anderen Pfad, den des Leidens. Ihn muss man kennen, um auf diesem Weg zu bleiben, wie steinig er auch ist. Wenn wir uns von ganzem Herzen an Christus wenden wird Er uns wunderbar helfen. Er wird uns halten, wenn wir fallen, wird uns stärken, ermutigen und trösten. Und alsbald verstehen wir die Worte des Apostels Paulus „Unser Leiden das leicht ist und eine kurze Zeit währt, schafft eine ewige Herrlichkeit im Überfluss” (2 Kor 4,17). Dann werden diese Leiden unseres kurzen Lebens auch für uns leicht erscheinen.
Sobald wir diesen Weg beschreiten, der anfänglich schwer und ehtbehrungsreich scheint, wenn wir in uns die für diesen Weg stärkende Gnade Gottes spüren, so werden wir froh. Mit Demut können wir unser Kreuz auf uns nehmen und dabei wissen, dass es uns den Weg ins Reich Gottes bahnt.
Dies also heißt sich selbst, die Unreinheit hassen, den alten Menschen verleugnen und die unsterbliche Seele, die zur Gemeinschaft mit Gott bestimmt ist, retten. Wer so seine Seele verliert, der wird sie retten und bei Christus sein.
Er würdige uns alle des ewigen, herrlichen Lebens ohne Ende mit Ihm, Seinem heiligen Vater und der großen Schar heiliger Engel.
(Bilder: Ikone Erzb.Luka, El Greco Predigt “Stimme der Orthodoxie”)