Ein Disput über den Menschen
1.
In der biblischen Erzählung von der Erschaffung des Menschen wird er als ein hungriges Wesen gekennzeichnet und die ganze Welt zur Nahrung des Menschen bestimmt. Unmittelbar auf das Gebot der Mehrung und der Inbesitznahme der Erde empfiehlt Gott den Menschen, sich von der Erde zu nähren: „Sehet an, Ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.” (Gen 1,29). Um zu leben, muss der Mensch essen; er soll die Welt in seinen Körper aufnehmen und in sich verwandeln zu Fleisch und Blut. Tatsächlich ist er, was er isst. Und die ganze Welt wird in der Bibel gezeigt als ein Festmahl, das für ihn aufgetragen ist. Und dieses Bild des Mahles durchzieht die ganze Bibel wie ein roter Faden. Es ist das Bild des Lebens bei seiner Entstehung, das Bild des Lebens an seinem Ende. „Dass ihr essen und trinken sollt an Meinem Tisch in Meinem Reich,” spricht Christus (Lk. 22,30).
Ich beginne mit diesem Thema der Speise und des Essens, das Glaubenden wie Nichtglaubenden vom Gesichtspunkt der Religion zweitrangig erscheint, weil vor uns die eigentliche Frage steht, um welches Leben es sich in dem ewigen Streit zwischen Glauben und Nicht- glauben handelt, zwischen Religion und Atheismus. Der Ungläubige wirft dem Gläubigen vor, dem menschlichen Leben gegenüber und seinen Bedürfnissen indifferent zu sein. Und man muss wohl einräumen, dass die Glaubenden selbst sehr häufig den Anlass zu diesen Beschuldigungen geben. Denn sie vergessen gar oft, was über das Leben in der Bibel, im Evangelium, über die wahre Natur des Lebens ausgesagt wird.
Einerseits bedeutet für einen Teil der Christen das Wort „Leben” so viel wie „religiöses Leben”. Und dieses religiöse Leben stellt eine besondere in sich geschlossene Welt dar, es ist die Welt reiner Spiritualität, Abgeschiedenheit, Rückzug in sich und in seine Seele. Das Ärgernis dieser Abgeschiedenheit, dieses Rückzugs hat immer bestanden, denn stets und überall war das Leben mit seiner Frustration, den Misserfolgen, Leiden, Enttäuschungen und schließlich dem Tod mühsam und zuweilen unerträglich für den Menschen. Und die Versuchung legt den Rückzug nahe von allem und allen, das Abwerfen der Verantwortung von sich, das Versinken in das Nirwana und in die Stille reiner Meditation, des Gebetes, der Ruhe!
Daher wird alles, was in der Religion über Speise ausgesagt wird, im Sinne der geistlichen Nahrung verstanden. Hier herrscht das Pathos des Rückzugs, der Entäußerung, der Abgeschiedenheit. Doch neben dieser ersten Bedeutung des Lebens und der Religion existierte und existiert auch jetzt noch eine andere Auffassung.
Manche meinen, die Bestimmung der Religion in einer Verbesserung des Lebens zu sehen, in jener Hilfe, die sie der Welt und den Menschen erweisen kann. Hier wird das Christentum verstanden als ein bestimmtes politisches oder soziales Programm, und dieses Verständnis lässt sich auch aus dem Evangelium ableiten, dort nämlich, wo Christus zur Fürsorge für Kranke, Hungernde, Leidende und Eingekerkerte mahnt. Und damit stehen wir vor einem Paradoxon. Wenn Christen zur Spiritualität rufen, wenn sie an die Worte Christi erinnern: „Trachtet zuerst nach dem Reiche Gottes, so wird euch alles andere zufallen” (Mt. 6,33), so beschuldigt man sie, gegenüber dem Leben gleichgültig zu sein, der Weltflucht und des unterlassenen Kampfes in der Welt. Wenn sie aber auf den sozialen Inhalt des Christentums verweisen, auf seine Berufung, für ein besseres Leben zu kämpfen, tadelt man sie wegen der Einmischung in fremde Angelegenheiten, des Eindringens in einen Bereich, der ihnen nicht zusteht. Ich wiederhole, die Christen selbst, die Gläubigen pflegen in sich und unter sich gespalten zu sein im Hinblick auf das, was die eigentliche Herausforderung des Evangeliums besagt, worin das Wesentliche des christlichen Lebens besteht. Was ist das Wichtigste: sich zurückziehen und beten oder ganz im Gegenteil sich dem Kampf dafür anzuschließen, was alle weltlichen möglichen Ideologien „die lichte Zukunft” nennen? Was ist nötig: das Leben zu spiritualisieren oder umgekehrt die Religion zu verweltlichen, sie weit von den realen Nöten und Bedürfnissen des modernen Menschen wegzustellen? Das sind die Fragen, die heute quälend vor dem Bewusstsein von Glaubenden und Nichtglaubenden stehen. Und man wird auf sie nicht antworten können, ohne zu dem ursprünglichen religiösen Verständnis dessen vorzudringen, was Leben ist.
Der Mensch ist das, was er isst. Was aber isst er und wozu? Diese Frage erschien Feuerbach wie auch seinen religiösen Widersachern dumm und unnötig. Für ihn wie für sie hatte die Speise ganz offensichtlich eine physiologische Funktion. Die einzig sie trennende Frage war: Gibt es noch etwas zusätzlich zu dieser materiellen Funktion? Gibt es bei dem Menschen einen über dem Materiellen stehenden geistlichen Überbau? Die Religion antwortet darauf mit ja, Feuerbach mit nein. Uns aber ist wichtig, dass sowohl das „ja” der Religion wie das „nein” des Materialismus wahrgenommen wird im Kontext ein und derselben Gegenüberstellung von Materiellem und Geistlichem, von Körperlichem und Seelischem; unter diesem Gesichtspunkt war Feuerbach, der Feind alles Religiösen und Spirituellen, in Wirklichkeit Resultat und Frucht einer vielhundertjährigen Entwicklung des christlichen Denkens, das diese grundlegende Trennung von Geist und Leib, von Materie und Spiritualität, von Natürlichem und Übernatürlichem, von Heiligem und Profanem bejaht. Feuerbach meinte, die Zeit sei gekommen, den ganzen heiligen und übernatürlichen Überbau im Namen der Realität der Materie zu zerschlagen, im Namen des Lebens, wie es nun einmal ist. Hatte er gesagt: „Der Mensch ist, was er isst”, dann ging er davon aus, dass er mit dieser Formel der Religion ein Ende bereitet hat.
Doch das Drama besteht darin, dass, wer immer mit ihm vom Blickwinkel der Religion diskutiert und streitet, Speise, Nahrung, die Abhängigkeit des Menschen von der Welt und der Materie im Wesentlichen so versteht wie er. Verteidigt wurde nur, dass, über dem Essen noch etwas Geistiges ist.
Aber lässt sich ein wirklicher Streit auf diese Gegenüberstellung reduzieren? Wir haben gesehen, dass auch die Bibel mit Essen beginnt, dass auch sie im wesentlichen Feuerbachs Formel teilt, dass sie die Gegenüberstellung und Trennung des Materiellen vom Geistlichen verwirft, sondern den ganzen Menschen im Auge hat. Was sagt uns die Bibel von der Welt, von der Nahrung und vom Verhalten des Menschen zu ihr, von seiner Abhängigkeit zu beiden? Auf diese Frage wollen wir nun antworten.
2.
Die Welt als Speise des Menschen ist nicht etwas ein¬fach ausschließlich Materielles, das, in seiner materiellen Funktion begrenzt und als solches dem spezifisch Geistlichen gegenübergestellt, etwas Feindliches ist.
Nach der Bibel ist alles, absolut alles Existierende von Gott, und deswegen bezeugt auch alles Gott, führt zu Ihm, findet Eingang zur Gemeinschaft mit Ihm. Wenn Gott nach den Worten des Evangeliums Liebe ist, so lässt sich über die Welt sagen, dass sie göttliche Liebe ist, uns zur Nahrung gegeben, die unser Leben wird.
Gott segnet nach der Schrift alles, was Er schafft, und das heißt in der biblischen Sprache, dass Er alle Schöpfung, alles Existierende zum Zeichen und Mittel Seiner Gegenwart und Weisheit, Seiner Liebe und Offenbarung macht. „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!” ruft ein alter biblischer Dichter und Autor der Psalmen aus (Ps. 33,9).
Ja, der Mensch ist ein hungriges Wesen, aber er hungert nach Gott. Hinter all unserem Leben als Hunger, als Wunsch, als Streben steht Gott; letzten Endes ist jeder Wunsch ein Wunsch, Ihn zu besitzen. Der Mensch ist offensichtlich nicht das einzige Wesen, das von Hunger und Begehren lebt. Dieser Hunger ist ein Gesetz der ganzen Welt, alles Existierenden. Aber die Einzigartigkeit des Menschen besteht darin, dass er allein auf Gottes Segen Antwort geben kann, indem er Gott dankt für die Gabe des Lebens, er allein antwortet Gott, indem er akzeptiert, dankt und wissend wird.
In der Beschreibung des ursprünglichen Lebens des Menschen im Buch Genesis bleibt erstaunlich, dass von ihm gesagt ist, er solle alle Dinge benennen. So führt Gott nach der Schaffung der Tiere diese ihm zu, damit der Mensch einem jeden seinen Namen gäbe; und wie er jedes Lebewesen nannte, sagt die Bibel, so blieb es auch bei diesem Namen. Abermals gilt es zu bedenken und zu verstehen, dass der Name in der Bibel etwas unermesslich Größeres ist als allein die Art der Unterscheidung einer Sache von der anderen. Für die ganze alte Kultur ist der Name Ausdruck des Wesens, Verständnis seiner Bestimmung und Sinnes. Somit bedeutet eine Sache nennen und bezeichnen den ihr von Gott gegebenen Sinn und die Bestimmung aufzudecken. Dies heißt Gott mit Verständnis, Annahme und Hingabe zu antworten, heißt die Gabe akzeptieren.
Nun aber wird verständlich, weshalb in der Bibel Lob, Danksagung und Anbetung nicht allein Worte und Kultakte sind, sondern die Tiefe selbst, eben die ursprüngliche Form des Lebens. Gott hat nach der Schrift die Welt gesegnet, den Menschen gesegnet, den siebenten Tag gesegnet, d.h. die Zeit; es bedeutet, dass Er alles Existierende mit Seiner Liebe, Seiner „Güte”, wie es die Heilige Schrift bezeugt, erfüllt hat, alles war „sehr gut” (Gen 1,25). So also ist die einzige Reaktion des Menschen seine Antwort auf diese Gabe des Lebens und der Welt, nämlich Dankbarkeit und Freude.
Das meint, dass er die Welt so sehen muss, wie Gott sie schuf und sie liebt, und in diesem Akt der Dankbarkeit und des Lobes die Welt erkennen, sie benennen und über sie verfügen kann. Alle Fähigkeiten des Menschen, die mentalen, spirituellen und willentlichen, all das, was ihn von aller anderen Kreatur unterscheidet, findet seine Quelle, seine Wurzel in diesem Lobpreis und der Dankbarkeit im Wissen darüber, was letzten Endes menschlicher Hunger und menschlicher Durst wollen, wonach sie letzten Endes streben.
Wissenschaftler nennen den Menschen nach dem lateinischen Begriff homo faber – „Schmied” und verweisen auf seine Fähigkeit zur Gestaltung der Welt. Andere nennen ihn homo sapiens, d.h. „vernünftiges Wesen”, und verweisen auf seine Fähigkeit zum Denken. Aber in erster Linie noch vor diesen beiden Definitionen des Menschen muss man ihn homo adorens nennen, einen Menschen, der segnet, dankt und sich freut.
Nach Herkunft und Bestimmung ist der Platz des Menschen in der Welt und in der Natur gewissermaßen der Platz eines Priesters, er steht im Mittelpunkt der Welt und vereint mit seinem Wissen über Gott als Schöpfer und Gott der Liebe die ganze Welt in sich. Er empfangt die Welt von Gott und weiht sie im Opfer des Lobes zur Welt Gottes, und wann immer die Welt er mit diesem Lob und diesem Dank erfüllt, verwandelt er ihr Wesen, macht er alles zur Gemeinschaft mit Gott.
Man kann sagen, dass die ganze Welt geschaffen wurde als Materie oder Stoff eines allumfassenden kosmischen Sakramentes, das zu vollziehen der Mensch berufen ist. Und die Menschen verstehen das noch immer, wenn nicht mit dem Verstand, so doch mit dem Gefühl und Instinkt. Die Jahrhunderte des Abfalls von der Religion haben beispielsweise die Nahrung nicht pervertieren können als etwas rein Utilitaristisches, als ausschließlich physiologische Funktion. Der Mensch verhält sich immer noch gegenüber der Speise mit Andacht und Ehrfurcht; Mittagessen, Festmahl bleiben immer noch ein Ritual, man kann sagen: das letzte natürliche Sakrament der Familie, der Freundschaft und der Gemeinschaft, alles das, was im Leben mehr ist und bedeutsamer als bloßes Essen und bloßes Trinken. Wir laden Freunde zu uns ein und bewirten sie. Wie sonst lassen sich Nähe, Gemeinschaft, Freundschaft und Liebe ausdrücken?
Mithin ist Essen und Trinken selbst für den modernen, technologischen, utilitaristischen Menschen mehr als bloß physiologisch den Körper zu erhalten. Die Menschen mochten Quelle und Wurzel von all dem vergessen haben, doch sie machen immer noch die Speise, in ihr und durch sie, zu einem Sakrament des Lebens. In der Tat, der Mensch ist, was er isst, aber wenn er seine Nahrung zu sich nimmt, um von ihr zu leben, dann ist eben diese Nahrung, d. h. sein Leben, mit Licht, Lob und Schöpferkraft zu füllen, kurz gesagt, mit Gott. So geschieht es in religiöser Absicht, doch hat der Mensch dies alles bewahrt? Dazu wollen wir jetzt übergehen.
3.
Menschen. Sie sehen darin eine Erniedrigung und Beleidigung der Menschenwürde und eine pessimistische Grundhaltung. Möglicherweise kann im Lichte dessen, was ich bisher gesagt habe, dieser Beschuldigung ihre demagogische Spitze genommen werden.
Ich habe diese Gespräche mit einem Zitat Feuerbachs begonnen, der den modernen Materialismus begründet hat. Von ihm stammt das geflügelte Wort: „Der Mensch ist das, was er isst.” Statt sich zu empören über diese Reduktion des Menschen auf die Speise, auf die Materie, habe ich behauptet, dass Feuerbach, ohne es zu wissen, buchstäblich dasselbe aussagt, was die Bibel über den Menschen feststellt. Die Bibel spricht vom Menschen als einem vorwiegend essenden und trinkenden Wesen, das die Welt zu seinem Leben macht. Im Unterschied zu Feuerbach, der den Menschen der Nahrung und Materie unterwirft, sieht die Bibel darin die Berufung des Menschen, die Welt selbst zum Leben zu erwecken und zwar durch die Gemeinschaft mit der Welt im Sinne ihrer Bestimmung durch Gott. Ich habe gesagt, dass auf Gottes Gabe für den Menschen, der Gabe der Welt, der Nahrung und des Lebens, der Mensch mit Dank und Lob antwortet und mit ihnen die Welt erfüllt und sie verklärt. Allein im Lichte dieser grundlegenden biblischen Lehre wird man auch verstehen können, weshalb das Symbol für den Fall des Menschen in der Bibel ebenfalls die Nahrung ist.
Nach der mystischen (d. h. symbolischen) Erzählung der Bibel wurde dem Menschen von Gott die ganze Welt zur Nahrung gegeben außer der einen verbotenen Frucht. Diese Frucht nun hat der Mensch gegessen, ohne sich Gott anzuvertrauen und Ihm gehorsam zu sein.
Was bedeutet diese Erzählung, die wie ein Kindermärchen anmutet? Es bedeutet, dass die Frucht dieses einen Baumes im Unterschied zu allen anderen keine Gabe an den Menschen war. Auf ihr lag nicht der Segen Gottes. Und das heißt, dass, wenn der Mensch sie gegessen hat, dann nicht, um in ihr das Leben aus Gott zu haben, und das heißt auch, dass, wenn der Mensch sie gegessen hat, dass er damit nicht Leben mit Gott erfuhr, keine Wandlung zum Leben, sondern ein selbstgewähltes Ziel. Er aß und unterwarf sich daher der Nahrung. Nicht von Gott wollte er das Leben haben und nicht für Gott, sondern für sich.
Der Fall des Menschen bestand darin, dass er Leben für sich und in sich wollte, nicht für Gott und in Gott. Gott Selbst hat die Welt geschaffen zur Gemeinschaft mit Sich Selbst, der Mensch aber wollte die Welt nur für sich. Auf die Liebe Gottes hat der Mensch nicht mit Liebe reagiert, er hat vielmehr die Welt geliebt als Selbstzweck. Aber gerade darum geht es, dass für sich selbst und in sich selbst die Welt kein Selbstzweck sein kann, nicht Nahrung, die sich in Leben wandelt. So ist die Welt, die für Gott durchsichtig zu sein aufhört, Eitelkeit der Eitelkeiten, sinnloser Kreislauf der Zeit, wo alles fließt, alles verschwindet und endlich alles stirbt.
In der göttlichen auf den Menschen bezogenen Absicht wurde die Abhängigkeit von der Welt durch die Wandlung der Welt selbst in Leben aufgehoben. Leben aber ist der Name Gottes. „In Ihm,” sagt das Evangelium, „war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen” (Joh 1,4). Wenn aber die Welt nicht gewandelt wird, wenn das Leben aufhört, Wandlung zur Gemeinschaft mit dem absoluten Sinn, mit der absoluten Schönheit, mit dem absoluten Guten zu sein, dann wird diese Welt nicht nur sinnentleert, sie wird zum Tod.
An sich und in sich kann nichts Leben haben, alles vergeht, alles löst sich auf, vom Stiel getrennt wird die Blume noch etliche Zeit im Wasser überleben und das Zimmer schmücken, doch wir wissen, dass sie bereits stirbt, der Verwesung schon unterworfen.
Der Mensch aß die verbotene Frucht in der Meinung, dass sie ihm Leben brächte. Doch Nahrung außerhalb und ohne Gott ist Teilhabe am Tod. Es ist kein Zufall, dass wir essen; wir essen, um zu leben, doch eben weil wir etwas des Lebens Beraubtes schmecken, führt uns die Nahrung selbst unweigerlich zum Tod. Und im Tod gibt es kein Leben, kann es keines geben.
„Der Mensch ist, was er isst.” Und siehe, er isst … den Tod. Tote Tiere, totes Kraut, verweslich und dem Zerfall ausgeliefert. Und er stirbt selbst, und vielleicht besteht gerade darin sein größter Fall, dass er dieses dem Tod geweihte und sich auflösende Leben, dieses Leben, das von der Geburt an von der Verwesung gezeichnet ist, dieses Leben, das fließt und unaufhaltsam versiegt, dass er, der Mensch, dies für normal hält. Und davon überzeugen ihn jene, die es wagen, das Christentum des Pessimismus und der Erniedrigung des Menschen zu zeihen. Als jedoch Christus an das Grab Seines Freundes Lazarus trat und man Ihn warnte: „Geh nicht weiter, er stinkt bereits” (Joh 11,39), hat Christus das nicht als normal empfunden – Er begann zu weinen.
„Ich bin ein Bild Seiner unaussprechlichen Herrlichkeit,” – und siehe da, man trägt ihn weg, verbirgt ihn, damit er nicht stinkt und stört, er, der Mensch! Bild und Abglanz Gottes, Krone der Schöpfung! Ja, da ist diese schreckliche Unsinnigkeit der Welt, diese menschliche Vergänglichkeit auf dem kosmischen Friedhof, diese lächerlichen Versuche, etwas zu bauen für den bereits Sterbenden, schon Toten, und dann noch das Eingeständnis, dass all dies normal und natürlich sei. All das nennt das Christentum den Fall, Verrat des Menschen an sich selbst und seiner göttlichen, ewigen Bestimmung, damit will er sich nicht abfinden, deswegen behauptet er fest und klar: „Der Tod, der letzte Feind, wird besiegt” (1 Kor 15,26).
Wir haben diese Gespräche mit der Nahrung begonnen, mit dem Feuerbachschen „Der Mensch ist, was er isst”. Und wir haben gesehen, dass auch das Christentum in den Mittelpunkt seines Verständnisses diesen dem Menschen eigenen Hunger stellt. Aber ganz anders beantwortet das Christentum die Frage, was letzten Endes der Mensch will, was allein ihn sättigen kann. Wonach hungert er? Feuerbach und die Materialisten aller Schattierungen erwidern darauf, er hungert nach Freiheit, Wohlstand und Sättigung. Doch wofür Freiheit, Wohlstand und Sättigung, wenn er zum Tode verurteilt ist? Weshalb baut man Datschen auf dem Friedhof? Was immer wir auch tun, alles läuft auf diese Unsinnigkeit hinaus, die Vladimir Solovjev treffend ausgedrückt hat: „Tod und Zeit herrschen auf der Erde” …
Das Christentum beantwortet die gleiche Frage: Der Mensch will leben und nicht nur für einen Augenblick, sondern für die ganze Ewigkeit, jenes Leben, welches in einer kirchlichen Hymne so unübertroffen als „Leben, das nicht altert” bezeichnet wird. Doch dieses Leben besteht nicht in der
(Protopresviter Alexander Schmemann )
(Bilder:Giuseppe Arcimboldo)