Im Herbst 1839 kam er nach Optina, in den Skit zu Starez Leonid. Kurz vor seinem Tode sagte Leonid zu Makarij: “Ich übergebe ihn dir aus meiner Hand in die deine, denn er steht uns sehr nahe.” So trat Amwrosij in die Führung des Starez Makarij. Da Amwrosij die entsprechende Vorbildung besaß, hat er ihm bei der Übersetzung der patristischen Bücher, zuerst bei der Vorbereitung der Bearbeitung des Lebens und der Schriften Paisij Welitschkowskij und später auch bei den andern. Noch zur Zeit seines Zellendienstes erkrankte er sehr schwer; als Folge davon blieb er für den Rest seines Lebens schwach und kränklich. Die Krankheit hatte einen großen Einfluß auf sein Wesen und seine Anschauungen. Durch sie waren ihm besondere Erkenntnisse zugänglich gemacht worden. “Es ist gut für einen Mönch, krank zu sein” pflegte er später gern nebenbei zu bemerken, “bei der Erkrankung soll er sich nicht richtig wiederherstellen, sondern nur ein wenig ausbessern lassen.”
Wegen seiner Schwäche durfte er nicht die Liturgie verrichten und mußte den längeren klösterlichen Gottescliensten fernbleiben; die meiste Zeit verbrachte er halbliegend in seiner Zelle und betete in dieser Stellung, da das Stehen und Niederfallen auf die Knie seinem Körper allzu große Beschwerden verursachte.
Nach dem Tode des Starez Makarij erbte Amwrosij von ihm gewissermaßen die Leitung der Übersetzungs arbeiten der patristischen Literatur. Aber an dieser Tatigkeit fand Amwrosij kein sehr großes Gefallen. Die Seelen der Menschen erschienen ihm wichtiger als die Bücher. Die Gestalt seines ersten Lehrers, des Starzen Leonid, stand ihm immer vor Augen, so daß die Art und Weise seines Starzentums in vielen Zügen dem Leonids angeglichen war, nur daß seine Zelle eine noch buntere Menge von Besuchern gesehen hat.
Es ist ein Verdienst des Starez Makarij, daß die Optina die Aufmerksamkeit der russischen Gelehrten auf sich zog. Gerade in den 60er fahren bemerken wir gewisse Schwankungen in der Entwicklung der geistigen Kultur des Landes: die meisten ihrer Vertreter bemühten sich, sie in die Bahnen der materialistischen Anschauungen zu lenken und gleichzeitig Seele und Denken der gebildeten Schichten der Orthodoxie und dem kirchlichen Einfluß möglichst zu entziehen. Die Bedeutung des wiedererwachenden Starzentums als Abwehr gegen diese Bestrebungen und als Gegenbewegung ist bis heute nicht richtig eingeschätzt und anerkannt. Der Starez Amwrosij erweiterte die Arbeit Makarijs, festigte das Ansehen des kirchlichen Gedankens und schuf die religiösen Grundlagen des neuen Weltbildes. Wenn jetzt der Hauptvertreter der russischen Philosophie im Hinblick auf ihren Werdegang feststellt, daß “die Hauptaufgabe des russischen, religiös-philosophischen Schrifttums der Aufbau der orthodox-christlichen Weltanschauung ist, wie sie sich aus dem reichen Inhalt des christlichen Dogmas und seiner Auswirkung in der wahren Führung ergibt”,(F.M.Dostojewskij) so dürfen wir nicht vergessen, daß diese Feststellung uns in die Zeit der russischen Slavophilen zurückführt und zu ihrem Vertreter in der Religionsphilosophie, zu Iwan Kirejewskij. Von dort aus geht der Weg über Wladimir Solowjew, der die Lehrsätze der Slavophilen in ganzen Abhandlungen entwickelt hat, über Dostojewskij und andere zu den heute lebendigen religiösen Gedanken.
Im Starzentum hatten die Gebildeten nicht nur einige bedeutende Vertreter und Verwirklicher des christlichen Glaubens kennengelernt, sondern mehr noch: christliches Wissen und Gestalten, die vorgelebte Einheit von Wissen und Glauben und damit den Weg dazu.
So darf es nicht weiter wundernehmen, daß Dostojewskij, als er zusammen mit Wladimir Solowjew den Starez Amwrosij aufsuchte (1878), mit der Antwort auf seine persönlichen Fragen zugleich auch die nach der allgemeinen Aufgabe des Christen in der Welt entgegennahm, wie er sie dann als Ergebnis dieser Unterredung in den Brüdern Karamasoff, in der unvergeßlichen Gestalt des Starez Sosima, künstlerisch festzuhalten versucht hat. “Wie sehr aber werden Sie sich wundern”, spricht Dostojewskij zu seinen Lesern über die Starzen, “wenn ich sage, daß von den Gebeten dieser Demütigen und nach Einsamkeit und Stille sich Sehnenden die Rettung Rußlands ausgehen wird.”
Auch eine andere große Persönlichkeit der russischen Literatur, Leo Tolstoi geht nach Optina, um dort seine kritische Einstellung zur christlichen Frömmigkeit erschüttert zu sehen und sie offenherzig zu bereuen: „Ja, der Vater Amwrosij ist ein ganz und gar heiliger Mensch. Ich habe mit ihm gesprochen, und so leicht und erfreulich wurde mir in der Seele. Wenn du dich mit einem solchen Menschen unterhältst, dann fühlst du die Nähe Gottes.” Dreimal besuchte Tolstoi die Zelle Amwrosijs, das letztem mal mit seiner Familie. Als er sich im Jahre 1910 zum vierten Male nach Optina zum Starez losif, dem Schüler Amwrosijs, begeben wollte, um, wie die Legende berichtet, seine hoffärtige Seele endlich unter der Mönchskutte zur Ruhe zu bringen, starb er unterwegs, nicht weit von der Optina-Einsiedelei.
Und noch viele andere Vertreter der russischen Gebildeten holten sich bei dem frommen Starez Rat und Segen und die Befreiung von ihren Gewissensnöten.
Das Leben des Starez Amwrosij ist eine einzige Kette von Taten der Liebe und der Herzensgüte. Im Umgang mit den Menschen bewies er oft eine erstaunliche Seelenkenntnis und Anlagen der Vorausschau. Schon nach wenigen Minutenlag die Seele des Ankömmlings wie ein offenes Buch vor ihm.
Der 10. Oktober 1891 war der letzte Tag im Leben des Starez Amwrosij. Von seinen geistlichen Töchtern umgeben, entschlief er. Der Bischof erhielt unterwegs die Nachricht vom Tode des Starez und entschloß sich, persönlich für ihn das Totenamt abzuhalten. Es war Abend, der Sarg stand in der von Amwrosij gebauten Kirche, die Nonnen sangen die Pannychida, und in dem Augenblick, als sie anfingen zu singen: “Mit den Heiligen laß ruhen, O Christus, die Seele deines Knechtes!” -traf der Bischof in der Kirche ein. So ging auch die letzte Voraussage des Starez in Erfüllung. Optina sollte zur letzten Ruhestätte des Starez Amwrosij werden. Es war ein tief eindrucksvolles Bild, als sein Sarg durch die Wiesen und Wälder getragen wurde, begleitet von Tausenden von Menschen mit brennenden Kerzen, unter Gesang von Mönchen und Nonnen. Spät abends kam der Tote nach seiner Einsiedelei zurück. Sein einunddreißigjäriges Starzentum war zu Ende, aber sein Geist lebte in Optina und Scharnordino weiter. Seine Schüler setzten die segensreiche Arbeit fort. Noch dreißig Jahre währte die geistige Führung, bis dann die Pforten der Optina-Einsiedelei für das asketische Leben geschlossen wurden und die Glocken über dieser letzten und bedeutendsten Pflegestätte russisehen Starzentums verstummten.
Mit dem Tode des Starez Amwrosij endet eine große Zeit des russischen Starzentums. Außer Amwrosij wirkten auch noch andere zeitgenössische Starzen in den verschiedenen Einsiedeleien, doch gebührte Amwrosi; der erste Platz unter ihnen. Er hinterließ mehrere Schüler, die seine Arbeit in Optina weiterführten. Vor allem wäre da der Starez losif zu nennen, der die Führung der geistllchen Söhne und Töchter Arnwrosijs übernahm. Zwanzig Jahre war er als Starez in Optina tätig, erwarb sich die Liebe und Achtung aller Besucher und starb im Mai 1911 er wurde neben dem Grab seines Lehrers beigesetzt.
(С.Четверикоф; И. Смолич)