Er ließ mich auf einen von ihm soeben gefällten Baumstamm niedersitzen und kauerte sich dann selber neben mich.
„Der Herr hat mir offenbart”, begann der große Starez, „dass Ihr in Eurer Jugend eifrig zu wissen begehrtet, worin der Sinn unseres christlichen Lebens liege, und dass Ihr viele geistliche Persönlichkeiten oftmals darum befragt habt.”
Ich muss nun sagen, seit meinem zwölften Jahre beunruhigte mich dieser Gedanke ständig, und ich hatte mich wirklich an viele Geistliche mit meinen Fragen gewandt, aber ihre Antworten befriedigten mich nicht. Der Starez konnte das aber nicht wissen.
„Niemand aber” (fuhr Vater Serafim fort) „hat Euch etwas Bestimmtes darüber mitteilen können. Man sagte nur: Gehe in die Kirche, bete zu Gott, handle nach den göttlichen Geboten, tue Gutes – das ist der Sinn unseres christlichen Lebens. Andere wieder, denen Eure Neugierde nicht gefiel, sagten unwillig: Du sollst nicht nach höheren Dingen suchen. Aber so, wie es notwendig gewesen wäre, antworteten sie nicht. Also will ich, der arme Serafim, Euch jetzt erklären, welches der wahre Sinn des christlichen Lebens ist.
Gebet, Fasten, Wachsein und alle die andern Werke sind wohl an sich gut, doch liegt die Bedeutung unseres christlichen Lebens nicht etwa nur darin, dass wir sie ausführen, obwohl sie sicher notwendige Mittel sind. Der wahre Sinn unseres christlichen Lebens besteht in dem Erlangen des Heiligen Geistes. Merkt Euch wohl, Väterchen: nur die für Christus allein verrichteten guten Werke verschaffen uns die Gaben des Heiligen Geistes. Alles, was nicht um Christi willen getan wird, mag es auch gut sein, bringt uns keine Vergeltung im künftigen Leben ein und lässt uns auch schon im irdischen Leben der Gnade Gottes nicht teilhaftig werden. Darum sagte doch unser Herr Jesus Christus: Jeder, der nicht mit mir sammelt, vergeudet. Die guten Werke kann man nicht anders nennen als ein Sammeln. Und wenn sie auch nicht für Christus allein getan werden, so können sie doch wohl gut sein.
Der Herr wendet alle seine göttlichen Mittel an, damit der Mensch im ewigen Leben nicht der Vergeltung für seine guten Werke verlustig gehe. Darum muss man schon hier anfangen, in wahrhafter Weise an unsern Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, zu glauben, der in die sündige Welt gekommen ist, sie zu erretten, und sich um die Gnade des Heiligen Geistes bemühen, der in unsere Herzen das Gottesreich einführt und uns den Weg weist, auf dem wir die Glückseligkeit künftigen ewigen Lebens uns erwerben können. Aber damit hat Gott die Anerkennung der nicht um Christi willen geschehenen guten Taten begrenzt. Der Schöpfer gibt uns die Mittel zu ihrer Verwirklichung. Dem Menschen aber steht es frei, die guten Werke zu tun oder nicht, und er hat kein Recht zu klagen, wenn er mit seinen wohlgefälligen Handlungen nicht die Tat der Rettung vollbringt. Doch kann ihm das niemals widerfahren, wenn das gute Werk für Christus getan ist, denn alles Gute, das allein um Christi willen geschieht, erbittet ihm nicht nur die Krone des ewigen Lebens, sondern es erfüllt den Menschen schon in diesem irdischen Leben mit der Gnade des Heiligen Geistes, und wie es heißt: ,Ohne alles Maß gibt Gott seinen Geist. Der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben.'(Joh. 3, 34-35) So ist das, mein Gottesfreund. Also, im Erlangen dieses Heiligen Geistes besteht das wahre Ziel unseres christlichen Lebens, und Beten, Wachsein, Almosengeben und andere für Christus verrichteten guten Werke sind eben nur Mittel zum Erlangen des Heiligen Geistes.”
„Was heißt das, ein Erlangen?”, fragte ich den Vater Serafim, „Ich verstehe das nicht.”
„Das Erlangen ist genauso wie ein Erwerben”, antwortete er mir. „Ihr versteht doch, was zum Beispiel Erwerben von Geld bedeutet. Ganz ähnlich ist auch das Erlangen des Heiligen Geistes. Ihr wisst auch, mein Gottesfreund, was Erwerben im weltlichen Sinne ist. Das Lebensziel der gewöhnlichen Menschen ist der Gelderwerb, bei den Adligen kommt wohl noch der Wunsch nach Ehrenzeichen oder andern Würden und Auszeichnungen für staatliche Dienste hinzu.
Das Erlangen des Heiligen Geistes ist auch ein Kapital, aber ein gnadenvolles und ewiges, und es wird auf ähnliche Weise erworben wie das zeitliche Kapital von Geld und Würden. Das Wort Gottes, unser Herr Jesus Christus, Mensch und Gott, vergleicht unser Leben mit einem Handel und nennt das Tun unseres Lebens auf der Erde einen Kauf, indem er zu allen spricht: Kaufet, bis dass ich komme, seid sparsam mit der Zeit, da die Tage voller List sind, das heißt, nutzet die Zeit aus, um das himmlische Heil für die irdischen Werte einzutauschen. Die irdischen Werte sind die Tugenden, die um Christi willen verwirklicht sind. Sie bringen uns die Gnade des Allheiligen Geistes, ohne den keinem Rettung wird und niemals werden kann, denn ,durch den Heiligen Geist wird jede Seele erquickt und durch Reinheit erhöht und erleuchtet durch die dreifaltige Einheit im Heiligen Geheimnis. Der Heilige Geist geht in unsere Seelen ein. Und dass er, der Allerhalter, in uns eingeht, und das Verharren seiner dreifaltigen Einheit in und mit unserm Geiste wird uns zuteil nur durch das von uns in brünstig ersehnte Empfangen des Heiligen Geistes, das in unserer Seele und unserm Fleisch den Thron vorbereitet für das Einwohnen Gottes, des Allschöpfers.
Jede Tugend also, die für Christus geübt wird, schenkt uns die Gnade des Heiligen Geistes. Aber am meisten vermag doch das Gebet, das immer in unsern Händen liegt wie ein Werkzeug zum Erlangen der Geistesgnade. Zum Beispiel, Ihr wollt in eine Kirche gehen, aber es ist keine Kirche in der Nähe, oder der Gottesdienst ist schon zu Ende; Ihr wollt einem Armen ein Almosen geben, aber es ist kein Armer zugegen, oder Ihr selber habt nichts; Ihr möchtet Euch die Keuschheit bewahren, aber Eure Natur lässt es nicht zu, und Ihr habt keine Kraft, den Versuchungen zu widerstehen; Ihr wollt irgendein anderes gutes Werk um Christi willen vollbringen, aber auch hierzu fehlen Euch die Kräfte, oder Ihr findet keine Gelegenheit, die dafür passend wäre.
Beim Gebet ist das nicht so. Zu jeder Zeit und für jeden Menschen gibt es eine Möglichkeit: für den Reichen und für den Armen, für den Vornehmen und für den Niedrigen, für den Starken und für den Schwachen, für den Gesunden und für den Kranken, für den Frommen und für den Sünder. Gewaltig ist die Kraft des Gebets, denn stärker als alles zieht es den Heiligen Geist herab, und wie einfach ist es doch für jeden, es darzubringen. Im Gebet werden wir gewürdigt, uns mit unserm Allgütigen, unserm Heilbringenden Gott und Erlöser unterhalten zu dürfen. Aber nur so lange sollen wir beten, bis der Heilige Geist auf uns herabgekommen ist in dem Maß seiner himmlischen Gnade, wie er für uns für gut befindet; dann gebührt es sich, dass wir das Beten beenden.”
„Väterchen, wie soll man es nun mit den andern Tugenden halten, um die wir uns in Christi Namen bemühen, damit wir die Gnade des Heiligen Geistes empfangen? Ihr spracht bis jetzt nur vom Gebet.”
„Ihr könnt Euch die Gnade des Heiligen Geistes auch mit allen andern Tugenden erwerben, die Ihr um Christi willen übt. Handelt aber mit denen, die Euch den größten Gewinn verschaffen. Sammelt Euch ein Kapital aus Gottes Gnadenüberfluß, versetzt es in seinem ewigen Leihhaus, aber nicht zu vier oder sechs Rubel auf hundert, sondern zu hundert auf einen geistigen Rubel, und noch vielmal mehr.
Wenn Euch zum Beispiel Gebet und Wachsein mehr von der Gnade Gottes einbringt -, so betet und wachet. Gibt Euch Fasten viel vom Heiligen Geist -, so fastet. Hilft Almosen geben noch mehr -, nun, dann kommt mit Euern Gaben. Und so überlegt denn, welches wohlgefällige Tun Ihr um Christi willen auf Euch nehmen wollt.
Sorgt also um den rechten geistigen Handel mit den Tugenden! Reicht die Gaben der Gnade des Heiligen Geistes allen Suchenden weiter, wie eine brennende Kerze, die hell leuchtend mit der Flamme ihres irdischen Feuers, ohne dabei selbst zu erlöschen, noch andere Kerzen entzündet, auf dass auch diese alle Dinge rings um sich erleuchten. Und wenn es sich so mit dem irdischen Feuer verhält, was werden wir erst über das Gnadenfeuer des Allheiligen Geistes Gottes sagen?”
„Väterchen”, sagte ich, „Ihr sprecht von dem Erlangen der Gnade des Heiligen Geistes als dem Sinn unseres christlichen Lebens, aber wie und wo kann man die Gnade sehen? Die guten Werke sind sichtbar, aber kann denn der Heilige Geist auch sichtbar sein? Wie kann ich denn wissen, ob er mit mir ist oder nicht?”
„Wir Menschen von heute”, antwortete der Starez, „sind fast alle innerlich in Kälte erstorben gegenüber dem heiligen Glauben an unsern Herrn Jesus Christus, und wir haben nicht mehr acht auf die Wirkung seiner göttlichen Erscheinung und auf unsere Gemeinschaft mit Gott. So ist es denn so weit gekommen, daß wir uns eigentlich, kann man schon sagen, vom wahren christlichen Leben fast ganz entfernt haben. Deshalb scheinen uns jetzt die Worte der Heiligen Schrift sonderbar, wenn der Heilige Geist durch Moses spricht: „Adam sah den Herrn, der im Paradiesgarten ging“, oder wenn wir bei dem Apostel Paulus lesen: „Wir kommen nach Achaja, und der Geist Gottes war nicht mit uns, wir wenden uns nach Mazedonien, und der Geist Gottes war mit uns.“ Und auch an andern Stellen der Heiligen Schrift ist mehrmals davon die Rede, dass Gott den Menschen erschienen ist.
Nun sagen einige: „Diese Stellen sind unverständlich. Wie ist es möglich, dass die Menschen mit ihren Augen Gott sehen konnten?’ Aber hier ist nichts Unverständliches. Die Unverständlichkeit kommt daher, dass wir uns von der ganzen Weite des urchristlichen Schauens entfernt haben und durch unsere angebliche Aufklärung in ein solches Dunkel der Unwissenheit geraten sind, dass uns heute unbegreiflich ist, was die Alten noch so klar verstanden hatten, dass für sie selbst in der einfachen Unterhaltung der Begriff der Erscheinung Gottes nichts Seltsames war.
Gott und die Gnade des Heiligen Geistes haben die Menschen nicht im Traum oder in einem Trugbild gesehen und nicht im Wahne krankhafter Verzückung, sondern wahrhaftig und wirklich.
So sind wir also durch unsere eigene Nachlässigkeit in dem, was das Werk unserer Rettung angeht, schuld daran, dass wir viele Worte der Heiligen Schrift nicht in dem Sinne nehmen, wie wir es tun müssten. Und das alles nur darum, weil wir nicht die Gnade Gottes suchen, weil wir im Hochmut unseres Verstandes es nicht zulassen, dass sie in unsere Seele eingehe, und darum erhalten wir keine wahre Aufklärung von Gott, der sie allen Menschen ins Herz eingibt, die sehnsüchtig auf sie warten und mit ganzer Seele nach seiner Wahrheit dürsten. Als unser Herr Jesus Christus nach seiner Auferstehung geruhte, das Werk unserer Rettung zu vollenden, hauchte er den Aposteln den Atem des Lebens ein, den Adam verloren hatte, ihn also erneuernd, und brachte ihnen damit die Gnade des Allerheiligsten Geistes Gottes zurück. Am Tage der Pfingsten sandte er ihnen geheimnisvoll in einem Gewitterwind den Heiligen Geist in Feuerzungen, die sich auf einen jeden von ihnen setzten und in sie eingingen, und erfüllte die Apostel mit der feurigen Kraft seiner göttlichen Gnade, die die vereinten Seelen mit neuer Freude belebt. Und diese feuervolle Gnade des Heiligen Geistes wird allen getreuen Anhängern Christi im Sakrament der Heiligen Taufe gegeben, indem man sie, wie es die Heilige Kirche vorschreibt, den wichtigsten Stellen unseres Körpers aufprägt als eines ewigen Gefäßes der Gnade. Darum werden bei der Salbung die Worte gesprochen: „Das Siegel der Gnadengabe des Heiligen Geistes.“ Auf was nun, Väterchen, mein Gottesfreund, drücken wir Armen unser Siegel, wenn nicht auf Gefäße, die irgendwelche für uns besonders wertvollen Schätze bewahren. Was kann aber höher als alles in der Welt und was kostbarer sein als die uns in der Taufe von oben gegebenen Gaben des Heiligen Geistes. Die Gnade der Taufe ist so erhaben, so unentbehrlich, so erquickend für den Menschen, dass sie selbst einem Ketzer bis zu seinem Tode nicht genommen wird, wenn also die Frist, die dem Menschen auf der Erde nach Gottes Vorsehung gestellt wurde, abgelaufen ist und darüber befunden wird, wofür er gebraucht werden kann und was er innerhalb dieser ihm von Gott geschenkten Frist mit Hilfe der ihm von oben verliehenen Gnadenkraft vollbracht hat.
Und wenn wir nach unserer Taufe niemals sündigen würden, könnten wir als Heilige in der Ewigkeit verbleiben – als keusche und von allen Unreinheiten des Fleisches und des Geistes befreite Gerechte Gottes. Doch hierin liegt das Unglück, daß wir wohl mit der Zeit reifer werden, nicht aber in der Gnade und Vernunft Gottes fortschreiten, wie unser Herr Jesus Christus. Im Gegenteil verlieren wir noch durch unsere mit der Zeit immer größer werdende Verderbnis die Gnade des Allheiligen Geistes Gottes und werden schließlich große Sünder. Aber wer einmal von der göttlichen Allweisheit, die doch nur unsere Rettung will, angerührt wurde, ist entschlossen, alles zu tun, um sich das ewige Heil zu gewinnen. Erwacht und wachsam geworden, folgt er dem Ruf der Allweisheit und wendet sich in aufrichtigster Reue seiner Sünden dem Vollbringen der guten Werke zu. Die Gnade des Heiligen Geistes, die in der Taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes erteilt wird, ungeachtet aller menschlichen Verfehlungen, ungeachtet auch der Finsternis rings um unsere Seele -diese Gnade leuchtet trotz allem in unser Herz mit dem von Ewigkeit her göttlichen Licht der unschätzbaren Verdienste Christi. Dieses Licht Christi tilgt – bei der Bekehrung des Sünders auf dem Pfade der Buße – auch die Spuren der begangenen Missetaten vollständig aus und bekleidet den früheren Übeltäter von neuem mit dem Gewände der Unverweslichkeit, das gewebt ist aus der Gnade des Heiligen Geistes. Und eben über das Erlangen dieser Gnade als Ziel des christlichen Lebens spreche ich zu Euch, mein Gottesfreund, nun schon so lange.
Damit Ihr aber noch klarer begreift, will ich Euch noch sagen, was unter der Gnade Gottes zu verstehen ist, wie wir sie erkennen, und wodurch besonders ihre Wirkung auf die Menschen sichtbar wird. Die Gnade des Heiligen Geistes ist ein Licht, das den Menschen erleuchtet. Gott offenbarte oftmals vor vielen Zeugen die Wirkung der Gnade des Heiligen Geistes jenen, die er durch sein Herabkommen segnete und erleuchtete. Erinnert Euch nur an Moses nach dem Erscheinen Gottes auf dem Berge Sinai. Die Menschen vermochten nicht auf ihn hinzublicken: so strahlte er in einem überirdischen Licht, das ihn umgab, und er konnte sich dem Volk nur verhüllt zeigen.
Erinnert Euch auch an die Verklärung Christi auf dem Berge Tabor: Seine Gewänder glänzten wie Schnee, und die Jünger fielen auf ihr Angesicht. Und als Moses und Elias erschienen, da „überschattete sie”, wie es heißt, „eine Wolke”, um den Glanz des Lichtes der göttlichen Gnade zu verdecken. Auf solche Weise erscheint die Gnade des Allheiligen Geistes in unbeschreiblichem Lichte allen, denen Gott ihr Wirken offenbart.”
Ich fragte nun den Vater Serafim: „Wie kann ich aber wissen, ob ich schon in der Gnade des Heiligen Geistes stehe?”
„Das ist ganz einfach, mein Gottesfreund”, antwortete der Starez. „Darum sagt auch der Herr: „Denen die Vernunft gegeben wird, ist alles einfach.“ Die Apostel, die sich in dieser Vernunft befanden, sahen es immer, ob der Geist Gottes auf ihnen ruhte oder nicht, und von ihm durchdrungen und seine Gegenwart in sich gewahrend, sagten sie in tiefster Gewissheit, dass ihr Tun heilig und Gott wohlgefällig sei. Das erklärt, warum sie in ihren Briefen schreiben: „Fügt euch dem Heiligen Geist in uns!“ Und nur aus diesem Grunde lassen sie ihre Briefe zum Nutzen aller Gläubigen hinausgehen, als eine ewige Wahrheit, weil die heiligen Apostel sich voll des Geistes Gottes fühlten. Seht Ihr nun, mein Gottesfreund, wie einfach das ist?”
„Aber ich verstehe noch nicht, wie ich davon überzeugt sein soll, dass ich im Heiligen Geist bin. Wie kann ich denn sein wirkliches Erscheinen erkennen?”
Der Vater Serafim antwortete: „Ich habe Euch doch schon gesagt, mein Gottesfreund, dass das sehr einfach ist, und ich erzählte Euch ausführlich, wie die Menschen vom Heiligen Geiste erfüllt sind und wie sie sein Erscheinen in sich gewahr werden. – Was wünscht Ihr denn noch, Väterchen?”
„Ich möchte es ganz genau verstehen”, sagte ich.
Da fasste mich der Vater Serafim fest an den Schultern und sagte eindringlich: „Wir beide, Väterchen, sind jetzt im Heiligen Geiste! – Warum siehst du mich nicht an?”
Ich antwortete: „Ich kann Euch nicht anblicken, Vater, aus Euern Augen leuchten Blitze, Euer Gesicht ist heller als die Sonne geworden, und meine Augen brennen vor Schmerz!”
„Habt keine Furcht!”, sagte der Vater Serafim, „Ihr selbst seid jetzt leuchtend geworden wie ich. Nun seid Ihr selber in der Fülle des Heiligen Geistes, sonst könntet Ihr mich so nicht schauen!”
Und indem er seinen Kopf zu mir hinneigte, flüsterte mir der Starez leise ins Ohr: „Danket Gott für seine unaussprechliche Gnade! Ihr habt gesehen, dass ich mich nicht einmal bekreuzte, vielmehr nur in meinen Gedanken betete ich leise zu Gott und sprach in meinem Herzen drinnen: “Herr gib ihm Klarheit und lass ihn mit seinen Fleischesaugen die Ausgießung des Heiligen Geistes schauen, durch die du deine Knechte würdigst, wenn du geruhst, uns im Licht deiner herrlichen Glorie zu erscheinen.”
– Und im selben Augenblick, Väterchen, hat der Herr die demütige Bitte des armen Serafim erfüllt. Wie müssen wir ihm danken für die unbeschreibliche Gabe, die er uns beiden schenkte! Seht Ihr, Väterchen, nicht immer zeigt der Herrgott selbst den großen Einsiedlern so sichtbar seine Gnade. Diese Gnade Gottes will Euer betrübtes Herz mit Freude erfüllen, wie eine liebende Mutter das ihrer Kinder.
– Väterchen, aber warum seht Ihr mir nicht in die Augen? Schauet doch nur und fürchtet Euch nicht! Der Herr ist mit uns!”
Auf diese Worte hin blickte ich in sein Gesicht, und ein großer ehrfürchtiger Schauer überkam mich. Stellen Sie sich vor: Mitten in einer Sonne, wie im hellsten Glänze der Mittagsstrahlen, das Antlitz des mit Ihnen sprechenden Menschen. Sie gewahren die Bewegungen seiner Lippen, den wechselnden Ausdruck seiner Augen, Sie hören seine Stimme, Sie fühlen, daß jemand mit seinen Händen Ihre Schultern hält – Sie sehen aber nicht diese Hände, Sie sehen nicht sich selbst, auch nicht seine Gestalt – einzig nur den blendenden Schein, der von ihm ausgeht, sich rings um ihn verbreitet und mit seinem hellen Glanz den Schnee auf der kleinen Lichtung beleuchtet und die herabfallenden Schneeflocken, die den großen Starez und mich überschütten …
Unmöglich lässt sich der Zustand beschreiben, in dem ich mich in diesem Augenblick befand.
„Wie fühlt Ihr Euch jetzt?” hörte ich den Vater Serafim fragen.
„Ungewöhnlich gut!” antwortete ich.
„Wie denn gut? Was meint Ihr damit?”
Ich erwiderte: „Ich fühle eine solche Stille und einen Frieden in meiner Seele, wie ich es mit keinem Wort ausdrücken kann!”
„Das, mein Gottesfreund, ist der Friede, von dem der Herr zu seinen Jüngern sprach: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“ Der Friede Gottes, der nach dem Wort des Apostels „höher ist denn alle Vernunft’. – Was fühlt Ihr noch?” fragte mich der Vater Serafim.
„Eine ungewöhnliche Süßigkeit!” antwortete ich. „Das ist Süßigkeit, von der die Heilige Schrift sagt:
„Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses; und du tränkest sie mit Wollust als mit einem Strom.” Eben diese Wollust durchdringt uns jetzt und strömt in unsern Adern als ein unsagbares Labsal. Durch diese Wollust schmelzen unsere Herzen, und wir beide werden von einer Süßigkeit erfüllt, die keine Sprache wiedergeben kann. Was fühlt Ihr noch?”
„Eine ungewöhnliche Freude in meinem ganzen Herzen!”
Der Vater Serafim fuhr fort: „Wenn der Heilige Geist auf den Menschen herabkommt und ihn mit der ganzen Fülle seiner Ausgießung segnet, dann wird die menschliche Seele von unaussprechlicher Freude erfüllt. Denn der Heilige Geist erweckt Freude in allem, was er berührt.
Aber wie tröstlich diese Freude auch sein mag, die Ihr in Euerm Herzen jetzt fühlt, so ist sie doch gering im Vergleich zu der, von der Gott selbst durch seinen Apostel verkündet hat: dass ,kein Auge sie gesehen und kein Ohr gehört hat und sie in keines Menschen Herz gekommen ist’. Jetzt werden uns Vorahnungen dieser Freude gegeben. Ist es aber schon durch sie in unserer Seele so süß, so lieblich und heiter, was ist dann erst von der Freude zu sagen, die im Himmel denen bereitet ist, die hier unten weinen? Auch Ihr, Väterchen, habt in Euerm Leben genug geweint, und seht doch nur, mit welcher Freude Gott Euch in diesem Leben tröstet. – Fühlt Ihr noch etwas, mein Gottesfreund?”
Ich antwortete: „Eine ungewöhnliche Wärme!”
„Was für eine Wärme? Wir sind doch im Wald! Es ist jetzt Winter, unter unseren Füßen liegt Schnee, wir selbst sind beschneit, und von oben fällt Schnee!…Was kann denn hier für eine Wärme sein?”
Ich entgegnete: „Eine Wärme ähnlich wie in einer Badestube, wenn man auf die heißen Steine des Ofens Wasser gießt und der Dampf aufsteigt.”
„Und ist der Geruch auch ähnlich wie in der Badestube?” fragte er.
„Nein”, antwortete ich, „ich wüsste nichts auf der Erde, das diesem Wohlgeruch gleicht.”
Da sagte der Vater Serafim mit einem schönen Lächeln: „Väterchen, ich selbst kenne das alles genau wie Ihr, und ich fragte Euch absichtlich, nur um zu hören, ob Ihr ebenso fühlt. Es ist lauterste Wahrheit, mein Gottesfreund! Kein irdischer Wohlgeruch läßt sich an Süße mit dem vergleichen, den wir nun empfinden, da uns der Wohlgeruch des Heiligen Geistes umweht! Gebt acht, Väterchen, Ihr habt mir gesagt, daß es rings um uns so warm ist wie in einer Badestube. Seht doch einmal: der Schnee taut weder auf mir noch auf Euch, auch über uns taut er nicht. Also ist die Wärme nicht in der Luft, sondern in uns selbst. Es ist die Wärme, von der der Heilige Geist uns mit den Worten des Gebets zum Herrn rufen lässt: ,Durch die Wärme deines Heiligen Geistes erwärme mich!’ Die durch sie erwärmten Einsiedler fürchteten keine Winterkälte, weil sie mit dem Gnadengewand, das der Heilige Geist gewebt hat, wie mit einem Pelz bekleidet waren. So muss es schon sein, weil die Gnade Gottes inwendig in uns, in unserm Herzen wohnen muss. Denn der Herr sagte: “Das Reich Gottes ist inwendig in euch.” ,Unter dem Reich Gottes verstand der Herr aber die Gnade des Heiligen Geistes. Dieses Gottesreich befindet sich jetzt inwendig in Euch, und die Gnade des Heiligen Geistes erleuchtet und erwärmt uns aber auch von außen und erquickt uns, indem sie die Luft mit einem mannigfaltigen Wohlgeruch erfüllt. Sie labt unsere Herzen mit einer unaussprechlichen Freude. Unsere Lage ist keine andere als die, von der der Apostel sagt: „Das Reich Gottes ist kein Essen und Trinken, sondern Wahrheit und Friede des Heiligen Geistes.“ Oder wie der große Makarius von Ägypten schreibt: „Ich war selbst in der Fülle des Heiligen Geistes.“ In dieser Lage befinden wir uns jetzt.
Nun, mir scheint, Ihr braucht nicht mehr danach zu fragen, wie die Menschen in der Gnade des Heiligen Geistes sind. Werdet Ihr auch immer an die heutige Offenbarung der unergründbaren Gewogenheit Gottes, die uns heimgesucht hat, denken?” „Ich weiß nicht, Väterchen”, sagte ich, „ob der Herr mich würdigen wird, mich an diese Gewogenheit Gottes immer so gut zu erinnern, wie ich es jetzt fühle.”
„Ich glaube fest“, antwortete der Vater Serafim, „Gott wird Euch helfen, dies immer in Erinnerung zu behalten; sonst hätte sich seine Güte nicht so schnell meinem demütigen Gebet geneigt und im Augenblick den armen Serafim erhört. Und umso mehr, als es Euch nicht nur für Euch selbst gegeben wurde, sondern durch Euch zugleich für die gesamte Welt, damit Ihr Euch selbst im göttlichen Tun festigt und andern nützlich sein könnt.
Was aber das betrifft, dass ich Mönch bin und Ihr ein Laie seid, so hat das nichts zu sagen. Vor Gott gilt nur allein der rechte Glaube an ihn und seinen eingeborenen Sohn. Dafür wird die Gnade des Heiligen Geistes von oben in reichem Maße gegeben. Der Herr sucht das Herz, das übervoll ist von der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Dies ist der Thron, wo er zu thronen beliebt und sich in der Fülle seiner himmlischen Glorie offenbart. Mein Sohn, gib mir dein Herz, sagte er, und ich will dir alles andere zufallen lassen -denn im Herzen des Menschen liegt das Reich Gottes.
Der Herr erhört den Mönch und den Laien, den einfachen Christen, gleichermaßen, wenn beide nur rechtgläubig sind und Gott aus der Tiefe ihrer Seele lieben. Wenn sie den Glauben an Gott haben, und sei er auch klein wie ein Senfkorn, dann werden alle beide Berge versetzen. Wie es heißt:
Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. Ihr werdet also alles bekommen, sei es nun zum Ruhme Gottes oder zum Nutzen des Nächsten; denn Gott bezieht auf sich auch den Nutzen des Nächsten. Habt doch keinen Zweifel daran, dass Gott, der Herr, Eure Gebete erfüllen wird. Und wenn Ihr etwas braucht, und sei es sogar für Eure eigene Notdurft, oder für Euern Nutzen oder Gewinn – Gott wird es Euch schnell herabschicken, wenn es nur äußerste Not und Notwendigkeit ist.
Denn Gott liebt, die ihn lieben; in allem ist der Herr gütig, und den Willen derer, die ihn fürchten, wird er erfüllen und ihr Gebet erhören.”
Im Leben und Wirken des heiligen Serafim von Sarow steht an hervorragender Stelle seine Betreuung der Diweew-Jung-frauen-Gemeinde, die später in ein Kloster umgewandelt wurde.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts stiftete eine fromme Frau in dem kleinen Ort Diweewo, einige Kilometer abseits der Sarow-Einsiedelei, eine Jungfrauen-Gemeinde. Der Abt von Sarow, Pachomij, war zugleich der Beichtvater der Schwestern. Kurz ehe er starb, sagte er einmal zu der Vorsteherin der Gemeinde: „Nach meinem Tode wird der Vater Serafim euch behüten und führen.”
Es kam so, wie der Abt vorausgesagt hatte. Der Starez, der nach Beendigung der Klausur sich wieder in seiner Waldhütte niederließ, sorgte in jeder Weise für die Diweewschen Schwestern. Im Jahre 182,5 teilte er die Gemeinde in zwei Teile: in die Witwen und in die Jungfrauen, die er seine „Serafimischen Waisen” nannte. Mit Hilfe des Geldes von Herrn Manturow konnte dann der Starez für die Gemeinde auch eine Kirche bauen. Später, im Jahre 1861, wurde die Gemeinde als Kloster anerkannt, und zu Anfang des 20. Jahrhunderts stand das Serafimo-Diweew-Jungfrauen-Kloster in voller Blüte, hatte bis zu tausend Nonnen und Schwestern und war durch sein strenges Leben in ganz Russland bekannt. Der Vater Serafim wurde der geistige Führer der Gemeinde, das Vorbild eines Starez, der mit größter Liebe und Achtsamkeit den Nutzen der Schwestern im Auge hatte, sie zu Gehorsam und Weltentsagung erzog und besonders die Liebe zum Gottesdienst bei ihnen pflegte. Das Schwergewicht der Askese legte er in den Dienst der Mutter Gottes, der „Allerreinsten Herrscherin”. Oft sagte er zu den Schwestern: „Nicht ich habe euch gewählt, sondern die Himmelskönigin selbst hat euch gewählt und mir übergeben.”
Nikolaj Motowilow, der „Diener Serafims”, erzählt in seinen Aufzeichnungen:
Es war im Jahre 1825, am Tag des heiligen Klemens, Papstes von Rom, und des heiligen Petrus von Alexandria (am 25. November), als dem heiligen Starez, der sich nach der langjährigen Klausur wieder zu seiner Hütte auf der Wald-lichtung hingeschleppt hatte, die Mutter Gottes erschien. Die Allerreinste Jungfrau stand zwischen den Aposteln Petrus und Johannes. Sie befahl dem Vater Serafim, die Diweewo-Gemeinde zu teilen und zeigte ihm den neuen Ort für die Kirche. Kurze Zeit darauf hat ein Gutsbesitzer das dort angrenzende Stück Land dem Vater Serafim, ohne dass ihn dieser darum gebeten hatte, aus freien Stücken für wohltätige Zwecke geschenkt. Das Geld, das Herr Manturow bei sich aufbewahrte, hat der Vater Serafim für den Bau der Kirche verwendet.”
An der Stelle der Erscheinung der Mutter Gottes entstand schon damals eine Quelle, deren Wasser hundert Jahre hindurch vielen Kranken Erleichterung und Heilung von ihren Leiden brachte.
Bei der geistigen Führung der Schwestern zeigte der heilige Serafim mehr als einmal Proben seiner Sehergaben und Heilkräfte.
Besonders bemerkenswert ist die Geschichte des „Gehorsams” der Elena Manturow. Sie war die Schwester des geheilten Gutsbesitzers, eine voll erblühte Schönheit, wie sie oft im tiefsten Winkel des Landes verborgen bleibt. Elena Manturow hatte die ganz besondere Aufmerksamkeit des Starez erweckt und war auf seine Bitte hin in das Kloster eingetreten. Im fahre 1832 erkrankte Manturow abermals; er schrieb dem heiligen Starez einen Brief, worin er ihn bat, ihm zu helfen. Der Vater Serafim verordnete ihm, er solle ein Stück frischgebackenes Roggenbrot essen, worauf er gesund wurde. Kurze Zeit darauf wurde Elena zum Starez gerufen.
„Du meine Freude, du warst mir immer gehorsam; nun will ich dir noch einen Gehorsamsdienst übertragen.”
„Ich habe Euch immer gehorcht, Väterchen, und ich bin bereit, Euch weiter zu gehorchen.”
„So, so, du meine Freude, siehst du, Mütterchen, ich weiß, dein Bruder ist sehr krank, und es ist für ihn die Zeit gekommen, daß er sterben soll, aber ich brauche ihn noch für unsere Gemeinde. Also ich gebe dir den Auftrag: stirb du, Mütterchen, an Stelle deines Bruders!”
„Segnet mich, Väterchen, fürs Sterben”, sagte sie. Dann erzählte der Starez ihr vom ewigen Leben, aber plötzlich sagte Elena: „Väterchen, ich fürchte mich vor dem Tod!”
„Du meine Freude, wir dürfen keine Angst vor dem Tod haben, für uns ist dort nur ewige Freude.”
Als sie im Begriff war, fortzugehen, fiel sie an der Schwelle ohnmächtig nieder. Der Starez gab ihr geweihtes Wasser zu trinken, und sie kam wieder zum Bewusstsein. Als sie nach Hause zurückgekehrt war, erkrankte sie schwer. Während der Krankheit erzählte sie der Äbtissin von ihrem Gespräch mit dem Starez und seinem Auftrag. Am 28. Mai 1832 starb Elena Manturow im Alter von 34 Jahren. Eine Schwester kam zum Starez und brachte ihm weinend die Nachricht von ihrem Tode. „Warum weinst du?” – sagte der Heilige. „Man muss sich freuen! Wie wenig versteht ihr doch! Ihr weint! Wenn ihr es nur gesehen hättet! Ihre Seele flog, flog wie ein Vogel auf. Cherubim und Seraphim machten ihr Platz. Sie ist als Jungfrau gewürdigt worden, nicht weit von der Heiligen Dreieinigkeit zu sitzen. Sie ist eine treue Dienerin der Gottesmutter … Ein Hoffräulein der Himmelskönigin ist sie, Mütterchen!”
Der Priester der Diweew-Gemeinde, Wasilij Sadowskij, erzählte:
„Drei Tage nach Maria Himmelfahrt (1830) besuchte ich den heiligen Starez Serafim. Wir hatten lange über das Leben der Heiligen gesprochen, als mich der Starez plötzlich fragte: „Väterchen, hast du ein reines Tüchlein? Gib es mir doch.’ Ich reichte es ihm. Der Starez nahm aus einem Gefäß winzigen Zwieback, der ganz besonders weiß war.
„Nun, Väterchen, die „Zarin“ hat mich besucht und hat mir diesen Zwieback für meine Gäste geschenkt. Geh nach dem Kloster und gib allen einen Zwieback.“
Ich dachte nun, irgendeine hohe Persönlichkeit habe den Vater Serafim besucht. Aber der Starez sagte mir:
„Die Himmelskönigin, Väterchen, die Himmelskönigin selbst besuchte den armen Serafim! Welch eine Freude, Väterchen …“
„Mein getreuer Knecht”, sprach sie, “erbitte von mir, was du willst!”,… Hörst du, Väterchen, was für eine Gnade mir die Himmelskönigin offenbarte!“ Und der Gerechte strahlte voll Entzücken und fuhr fort:
„Und der arme Serafim, Väterchen, der arme Serafim hat also die Mutter Gottes gebeten! … Und er erbat, dass alle, die im Serafimo-Diweew-Kloster sind, errettet werden möchten … Und die Mutter Gottes hat dem armen Serafim diese unbeschreibliche Freude versprochen! … Dreien wurde es nicht erteilt, – „drei nur müssen untergehen“, so sprach die Mutter Gottes, – und dabei verdunkelte sich das strahlende Gesicht des Starez.”
Am Vorabend der Verkündigung der Allerreinsten Jungfrau Maria (1831) hatte der Vater Serafim in Anwesenheit einer Schwester Eupraxia aus der Diweew-Gemeinde die letzte uns bekannte Vision.
„Ich kam zum Väterchen Serafim” – steht in den Auf-zeichnungen der Nonne Eupraxia -, „am Vorabend der Verkündigung.”
„Ach, du meine Freude, ich habe schon auf dich gewartet! … Welche Gewogenheit und Gnade der Mutter Gottes ist uns an diesem Festtag bereitet! Wie bedeutungsvoll wird dieser Tag!”
„Bin ich Sündige denn würdig, Väterchen?“ – fragte ich nicht ohne Angst.
„Falls du unwürdig bist, werde ich den Herrn und seine Mutter für dich bitten, damit auch du diese Freude schauen wirst … Jetzt wollen wir beten!
Der Vater Serafim fing an, den Akathistos zu lesen: zur Ehre des Herrn Jesus Christus, der Mutter Gottes, des heiligen Nikolaus, des Johannes des Täufers und dann die Hymnen für den Schutzengel und alle Heiligen. Als er zu Ende gesungen hatte, sagte er zu mir:
„Fürchte dich nicht, die Gnade Gottes offenbart sich uns! Halte dich fest an mir! …”
Plötzlich geschah ein Geräusch, wie von einem starken Wind, ein flammendes Licht erschien, und ein Gesang war zu hören … Der Vater Serafim fiel auf die Knie und rief, die Hände emporhebend aus: – O, Urseligste, Allerreinste Mutter Gottes, du Herrscherin und Gottesgebärerin!
Und ich sehe: Zwei Engel erscheinen, die mit Zweigen vorausgehen, hinter ihnen unsere Herrscherin selbst; dann folgen zwölf Jungfrauen und zuletzt der heilige Johannes der Täufer und der heilige Johannes der Evangelist … Vor Angst fiel ich ohnmächtig nieder und weiß nicht, was die Himmelskönigin mit dem Vater Serafim sprach und was er sie gebeten hat … Plötzlich höre ich, auf dem Boden liegend, dass die Mutter Gottes zum Vater Serafim sagt: ,Wer ist es, der da bei dir auf der Erde liegt?’ Der Vater Serafim antwortet: „Es ist jene Nonne, derentwegen ich dich, Herrscherin, bat, dass sie deiner Erscheinung beiwohnen dürfe.’ Die Allerreinste würdigte mich ganz Unwürdige, daß sie meine rechte Hand nahm … das Väterchen nahm meine linke, und sie gebot mir durch ihn, mich den Jungfrauen zu nähern und sie um ihre Namen zu fragen … Und ich gehe die Reihe entlang. Zuerst kam ich zu den Engeln und fragte sie: ,Wer seid ihr?’ Sie antworteten. „Wir sind die Engel Gottes.“ Dann wende ich mich zu dem heiligen Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten und fragte sie, und sie nannten mir ihre Namen. Darauf ging ich zu den Jungfrauen, und auch sie fragte ich nach ihren Namen. Die hei¬ligen Jungfrauen aber waren: die heiligen Großmartyrerinnen Barbara und Katharina, die erste heilige Märtyrerin Thekla, die heilige Großmartyrerin Marina, die heilige Großmartyrerin Kaiserin Irene, die heilige Eupraxia, die heiligen Großmartyrerinnen Pelaga und Dorothea, die heilige Makrina, die heilige Märtyrerin Justina, die heilige Großmartyrerin Juliana und die heilige Märtyrerin Anisia. Als ich sie nun alle gefragt hatte, dachte ich, ich sollte nun der Himmelskönigin zu Füßen fallen und sie bitten, mir meine Sünden zu verzeihen … aber plötzlich wurde alles unsichtbar … Das Väterchen sagte mir später, daß die Erscheinung vier Stunden gedauert habe …
,Ach, Väterchen, vor Angst habe ich doch vergessen, die Himmelskönigin um Vergebung meiner Sünden zu bitten.’ ,Ich armer Serafim habe die Mutter Gottes für alle gebeten, alle, die mich geliebt, die mir gedient und sich um mich bemüht haben -, für jeden, der mein Kloster liebt.’ Ich fiel ihm zu Füßen nieder; milde sagte er zu mir: „Geh nun, mein Kind, in Frieden in dein Kloster.“