Zu Ende des 18. Jahrhunderts ließ sich in den undurch-dringlichen Urwäldern, die die Sarow-Einsiedelei umgaben, in einer kleinen Hütte ein Einsiedler nieder. Er war etwa vierzig Jahre alt und von hohem, kräftigem Wuchs. Obwohl er zuvor lange Jahre hindurch in strenger Askese gelebt hatte, war sein Gesicht voll und frisch. Schöne, blaue, tiefblickende Augen lagen unter dichten Brauen. Lange, hellblonde Haare fielen ihm bis auf die Schultern herab, und ein großer, breiter Bart rahmte sein Gesicht ein. Die ganze Erscheinung war die einer innerlich wie äußerlich kraftvoller Persönlichkeit. Die Hütte lag tief im dichten Tannenwald, nahe bei einem Hügel, am Ufer des kleinen Flusses Sarowka. Sie war aus einfachen, festen Stämmen zusammengefügt und bestand nur aus einem einzigen Raum, der sein Licht durch zwei kleine Fensterluken bekam und nichts weiter enthielt als einen Ofen. Mehr als zwei Stunden brauchte der Einsiedler, um auf schmalem Pfade, der sich durch das Tannendickicht hindurch Wand, das Kloster zu erreichen. Im Winter, wenn die Stürme über die Wälder hin brausten und der Schnee sich hoch auftürmte, war jeder Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Dann breitete sich rings um die Hütte endloses, weißes Schweigen… Langsam und stetig reifte in dem Einsiedler die Kraft, die ihn in der christlichen Askese von Stufe zu Stufe immer höher aufwärts führte. Wie ein zweiter Symeon der Stylit verbrachte er drei Jahre, über tausend Tage und Nächte, im Gebet kniend auf einem großen Stein. Die Hände zum Himmel emporgehoben, sprach er mit Herz und Mund immerzu: „Herr, sei mir Sünder gnädig!”
Es war der Hieromonach Vater Serafim, der neue Gottesstreiter, „der mit den Engeln Zwiesprache hielt”, „die Kraft der Kirche und Freude der Gläubigen”, wie ihn die Kirche preist. Und bis heute bleibt Serafim die vollkommenste Gestalt in der Reihe der russischen Heiligen und die schönste Perle im reichgeschmückten Gewand der Ostkirche.